Radikalität im Denken und Handeln tritt in vielen gesellschaftlichen Bereichen auf – bei Sport- und Ernährungsgewohnheiten ebenso wie bei politischen und religiösen Überzeugungen. Doch AusdauersportlerInnen oder Menschen mit veganem Lebensstil würden sicher die wenigsten als „krank“ bezeichnen, während islamistische oder rechtsextreme Radikalisierungsprozesse selten ohne entsprechende Zuschreibungen auskommen. Psychologisch betrachtet handelt es sich allerdings um ähnliche Vorgänge, solange Radikalität als natürliches Ergebnis eines Radikalisierungsprozesses verstanden wird. In allen Fällen wird dabei eine (zu) einfache Pathologisierung weder der Komplexität von Radikalisierungsprozessen noch der gesellschaftlichen Verantwortung im Umgang mit radikalen Einstellungen gerecht – und zwar unabhängig davon, ob diese nun eine Gewaltbereitschaft beinhalten oder nicht.
Author: Katharina Seewald
Katharina Seewald ist wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Kriminologischen Dienst für den Berliner Justizvollzug und die Sozialen Dienste der Justiz und Lehrbeauftragte für Klinische Rechtspsychologie an der Freien Universität Berlin. Ihre Forschungsinteressen fokussieren Risikoprognosen und Behandlung im Strafvollzug mit besonderen Schwerpunkten auf Hoch-Risiko-Täter und radikalisierte Gefangene. | Twitter: @kathseewald