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Jahr: 2019

Zweites Gipfeltreffen zwischen Trump und Kim: Fortschritte? Durchbruch?

Ab Mittwoch, den 27. Februar 2019, kommt es in der vietnamesischen Hauptstadt Hanoi zum zweiten Gipfeltreffen zwischen US-Präsident Donald Trump und dem nordkoreanischen Führer Kim Jong-un. Schon der erste Gipfel am 12. Juni 2018 in Singapur war spektakulär, jedoch mit einer dünnen 4-Punkte-Erklärung mager an Ergebnissen: Die beiderseitigen Beziehungen sollen auf eine neue Grundlage gestellt, der Waffenstillstand von 1953 durch ein Friedensregime (die USA lehnen einen Friedensvertrag ab) ersetzt werden, Nordkorea den Weg der vollständigen, unumkehr- und verifizierbaren nuklearen Abrüstung einschlagen und die USA die Gebeine ihrer im Koreakrieg gefallenen Soldaten erhalten. Nach Auffassung der meisten Expertinnen und Experten hat sich dabei eher der junge nordkoreanische Führer durchgesetzt als Donald Trump, der es bis heute vermieden hat, den US-Kongress offiziell über die Ergebnisse des ersten Gipfels zu informieren.

Der zweite Gipfel wird für beide Seiten Fortschritte bringen, ein Durchbruch ist aber nicht zu erwarten. Dafür sind die Positionen der beiden noch zu weit voneinander entfernt. Die USA bestehen auf die vollständige verifizierbare und unumkehrbare Denuklearisierung sowie ein Ende des Raketenprogramms in Nordkorea, bevor sie ein Friedensregime in Betracht ziehen (einen Friedensvertrag lehnen die USA ab, weil sie nach der Waffenstillstandsvereinbarung von 1953 sonst alle Truppen von Korea abziehen müssten). Nordkorea hingegen ist zunächst an einem Friedensregime und der Aufhebung der UN-Sanktionen interessiert, bevor es die nukleare Abrüstung thematisieren will. Auch der Begriff der Denuklearisierung wird von beiden Seiten unterschiedlich definiert. Washington versteht darunter in erster Linie die Abrüstung aller Nuklearwaffen und Anlagen Nordkoreas, während Pjöngjang auch Südkorea mit seinen angrenzenden Gewässern und die dort stationierten US-Streitkräfte mit ihren militärischen Operationen in die Denuklearisierung einbezieht.

Nach jüngsten Äußerungen amerikanischer Unterhändler geht es in diesem Gipfel noch nicht so sehr um Abrüstung, sondern eher um ein umfassendes Einfrieren des nordkoreanischen Atom- und Raketenprogramms. Bestenfalls wäre ein erster Schritt in Richtung nuklearer Abrüstung – etwa bei dem Plutoniumprogramm in Yongbyon – zu erwarten. Nordkorea will dafür im Rahmen der sogenannten „korrespondierenden Maßnahmen“ eine Erklärung zur Beendigung des Krieges zwischen den Beteiligten, den Start über Gespräche für ein Friedensregime und die Rücknahme internationaler Sanktionen. Um die Beziehungen und Gespräche zu verbessern, können auch neue wechselseitige Verbindungsbüros als Vorstufe für Botschaften eingerichtet werden. Auch ein Verhandlungsplan (roadmap) ist für das weitere Vorgehen in der Diskussion. Für die von den USA schon lange geforderte Liste aller nordkoreanischen Nuklearwaffenanlagen ist es vermutlich jetzt noch zu früh. Weiterhin müsste das Einfrieren des nordkoreanischen Atomwaffen- und Raketenprogramms auch überprüft werden.

Was seit dem 1. Gipfel passiert ist

Trotz der mageren ersten Gipfelerklärung hat es seit September 2018 weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit in allen Bereichen tatsächlich Fortschritte und Annäherungen gegeben. Nordkorea überstellte einen an der chinesisch-nordkoreanischen Grenze gefassten US-Bürger unversehrt an die USA, die USA erleichterten im Gegenzug die humanitäre Hilfe für Nordkorea, verpflichteten aber zugleich Südkorea darauf, dass die Verbesserungen der Nord-Süd-Beziehungen Hand in Hand mit der Denuklearisierung gehen müsse. In der vier Kilometer breiten Demilitarisierten Zone vereinbarten die Streitkräfte Südkoreas und der USA mit den nordkoreanischen Streitkräften erste gemeinsame Vertrauensbildende Maßnahmen und zogen dort in einem symbolischen Akt wechselseitig ihre Soldaten zurück. Die USA akzeptierten – wie schon zuvor von Nord- und Südkorea in der Panmunjom-Erklärung von April 2018 vereinbart – ein stufenweises Vorgehen bei der atomaren Abrüstung, halten aber weiterhin mit Japan daran fest, dass es eine Aufhebung der internationalen Sanktionen erst mit dem Abschluss der Denuklearisierung geben soll. Nordkorea hat seine Bemühungen zur Überführung von Gebeinen toter US-Soldaten deutlich verstärkt und scheint bereit zu sein, den für das Plutoniumprogramm wichtigen aber inzwischen veralteten Yongbyon-Waffenkomplex verifizierbar abzubauen.

Die Neujahrserklärung von Kim Jong-un war zudem bis auf eine Drohkomponente am Schluss weitgehend sehr kooperativ gehalten. Die internationalen Medien stürzten sich Anfang Januar hauptsächlich auf diese sehr vage Drohgebärde Kim-Jong-uns, die sowohl nach innen die Hardliner beruhigen sollte als auch als Warnung und Stärkedemonstration Kims nach außen gedacht war. Dabei wurde die eigentliche Drohung Kims gegen die USA kaum wahrgenommen, denn er sagte nichts zur weiteren Einstellung der weitreichenden Raketentests, während er gleichzeitig die Einstellung der Nukleartests sowie sein Interesse an einem zweiten Gipfel mit Trump betonte. Diese Auslassung ließ sich als Indiz deuten, dass Nordkorea seine Raketentests wieder aufnehmen könnte. Er bot Südkorea zugleich ohne Gegenleistung die Wiederbelebung der zuvor von Seoul 2013 aufgekündigten nordkoreanischen Sonderwirtschaftszone Kaesong sowie der von Seoul im Jahre 2009 eingestellten touristischen Besuche des Berges Kumgang an. Darüber soll auf dem nächsten Nord-Südgipfel Ende März/Anfang April 2019 beraten und entschieden werden. Südkoreas Präsident Moon Jae-in hat in einem Telefongespräch mit US-Präsident Donald Trump schon erreicht, dass die dafür notwendigen Sanktionsaufhebungen Teil des amerikanischen Verhandlungspakets beim 2. Trump-Kim-Gipfel sein werden. Auch bei den Sanktionen gegen Nordkorea gab es Bewegung, denn im Zuge der Nord-Südannäherung (z.B. erlaubten die UN für Transporte nordkoreanischer Sportler nach Südkorea die Betankung ihrer Fahrzeuge in Südkorea) wurden vereinzelt kleinere Sanktionen temporär aufgehoben. Schließlich lockerten China und Russland stillschweigend ihre Kontrollen der internationalen Sanktionen gegen Nordkorea, ohne sie aber aufzuheben.

Was der zweite Gipfel zeigen muss

Die Hauptangst vieler konservativer Südkoreaner, Amerikaner und Japaner ist, dass die von Kim Jong-un Anfang letzten Jahres gestartete Entspannungs- und Abrüstungsinitiative nur ein sehr kluger Schachzug ist, um darunter die weitere heimliche Nuklearisierung Nordkoreas umso besser durchsetzen zu können, ohne einen Entwaffnungsangriff der USA fürchten zu müssen. Dafür spricht, dass es gerade zum nordkoreanischen Urananreicherungsprogramm bisher kaum Informationen gab und die Weiterentwicklung seines Atomwaffen- und Raketenprogramms bisher ungebremst ohne jede Transparenz und Kontrolle fortgesetzt wird. Der jetzige Gipfel muss zeigen, ob es Trump nun gelingt, diese Dynamik wenigstens zum Teil zu stoppen.

Darüber hinaus wird von allen die Unberechenbarkeit Trumps gefürchtet. Schon beim ersten Gipfel sagte er Kim im Vieraugengespräch ohne vorherige interne Absprachen und Bündnisgespräche einseitig das Ende der bi- und multilateralen Großmanöver zu. In den USA fürchten die Konservativen vor allem bei der Erklärung zur Beendigung des Krieges zu große Zugeständnisse, die es dann Nordkorea ermöglichen könnten, ein schnelles Ende des gemeinsamen US-Kommandos mit Südkorea und des UN-Kommandos der USA zu fordern. In Südkorea hat man vor allen Dingen Angst davor, dass die USA für den Stopp der Entwicklung weitreichender nordkoreanischer Raketen ihre Truppen in Südkorea deutlich reduzieren könnten. Das war mit ein Grund, warum die Südkoreaner bei der Erneuerung des Stationierungsvertrages mit den USA wenige Tage vor dem Gipfel eine über acht prozentige Erhöhung ihrer Kosten auf fast eine Mrd. US-Dollar akzeptierten. Trump hat danach zugesichert, dass die US-Truppenstärke in Südkorea nicht zur Disposition steht. Auch in Nordkorea scheinen die Hardliner Probleme zu bereiten, denn in diesem Winter hat Kim Jong-un sein Verhandlungsteam weitgehend erneuert und die altgedienten erfahrenen Unterhändlerinnen und Unterhändler wie Frau Choe entfernt. Der Prozess ist daher auf allen Seiten immer noch sehr zerbrechlich. Außerdem fürchten China und Russland eine zu schnelle Annäherung zwischen Nordkorea und den USA. Kim hat daher seine Konsultationen mit China intensiviert.

Mögliche Ergebnisse

Der Verhandlungsprozess zwischen den USA und Nordkorea ist in Gang gekommen und es wird auch, trügen die Anzeichen nicht, ein positives Ergebnis des Gipfels geben. Ob es allerdings den USA gelingen wird, das gesamte Atomwaffen- und Raketenprogramm Nordkoreas jetzt schon zum Stillstand zu bringen, erscheint eher zweifelhaft. Es wäre aber schon ein Erfolg, wenn es gelänge, das Plutoniumprogramm verifizierbar zu stoppen und dort die Abrüstung einzuleiten. Über das Urananreicherungs- und Raketenprogramm sollten Gespräche aufgenommen werden. Je konkreter hier die Zusagen Nordkoreas wären, desto eher könnten die USA auch über die Einrichtung wechselseitiger Verbindungsbüros und eine Erklärung zur Beendigung des Krieges mit Nordkorea verhandeln. Zudem besitzen die USA auch bei der Aufhebung von Sanktionen genügend Flexibilität, zumal Nordkorea in diesem Winter wieder über eine Million Tonnen Nahrungsmittel fehlen dürften.

Security Challenges to the 2019 Election in Nigeria

The upcoming general election in Nigeria might not be of intrinsic interest for most citizens. Despite a good track record of many peaceful transitions of power through elections, there are concerns about the security situation. This affects not only the general level of security in the country, but also the election process itself and the role of incumbent government officials trying to influence the process in their favor.

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Überlegungen zu Krieg und Frieden in Geschichte und Gegenwart. Lothar Brock im Gespräch

Am 30. Januar feierte Lothar Brock seinen 80. Geburtstag. Der emeritierte Professor für Politikwissenschaften an der Goethe-Universität Frankfurt war und ist seit fast 40 Jahren auch an der HSFK aktiv: beinahe 25 Jahre als Forschungsgruppenleiter, anschließend dann als assoziierter Forscher. Aus diesem Anlass sprach er mit Tanja Brühl und Hendrik Simon von der Goethe-Universität über Krieg und Frieden in Geschichte und Gegenwart, die Bedeutung der Friedensforschung und sein jahrzehntelanges Engagement in der Lehre.

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Kippa-Tag ja, Kopftuch-Tag nein? Doppelstandards beschädigen die Glaubwürdigkeit des Freiheitsversprechens

„Ein Tag polarisiert“ meldete die Deutsche Welle zum Hijab Day am 1. Februar: Initiiert von einer New Yorker Muslima, ruft die Aktion seit 2013 weltweit dazu auf, sich für einen Tag zu verhüllen, um damit ein Zeichen gegen Stigmatisierung zu setzen. So erfolgreich die Kampagne besonders unter Muslima ist, die sich gegen das Bild der unterdrückten Frau wehren, so harsch ist die Gegenmobilisierung: Es brauche eher einen „Anti-Hijab-Day“ lautet die Devise derjenigen, die Solidarität mit unfreiwillig verhüllten Frauen zeigen wollen. Diese reflexhaften Zuspitzungen verspielen die Chancen auf einen konstruktiven Dialog.

Unter dem Hashtag #WorldHijabDay rief die New Yorkerin Nazma Khan 2013 den 1. Februar als weltweiten Aktionstag rund ums muslimische Kopftuch ins Leben. Was steckt dahinter? Die Initiatorin, die im Alter von 11 Jahren mit ihrer Familie aus Bangladesh in die Vereinigten Staaten einwanderte, wurde wegen ihrer Verschleierung in der Schule und auch später während ihres Studiums gehänselt und stigmatisiert. Zu dem generellen Vorbehalt, der Schleier sei ein Zeichen der Unterdrückung, kamen nach 9/11 Unterstellungen hinzu, sie sei Terroristin oder befürworte islamistischen Terror: „In middleschool, I was ‘Batman’ or ‘ninja’. When I entered University after 9/11, I was called Osama bin laden or terrorist. It was awful. I figured the only way to end discrimination is if we ask our fellow sisters to experience hijab themselves.” Das Anliegen, zum demonstrativen Anlegen des Tuchs aufzurufen, geht damit in zwei Richtungen: Zum Einen will Khan mit möglichst vielen Beispielen aus aller Welt und nicht zuletzt durch ihr eigenes Auftreten exemplarisch zeigen, dass die Verschleierung muslimischer Frauen keine Unterdrückung bedeuten muss, sondern eine freiwillige und bewusste Entscheidung sein kann. Zum Anderen ruft die Aktion auch nichtmuslimische Frauen dazu auf, sich für einen Tag zu verschleiern, um zu erleben, was es bedeutet, und anschließend darüber zu berichten.

Die polarisierte Debatte

Die erste Botschaft des Hijab-Aktionstages ist seit langem ein Teil des Bedeutungsstreits ums Kopftuch: Auf der einen Seite stehen Frauen, die mit der Verschleierung Freiheit verbinden – sei es die ganz pragmatisch verstandene Freiheit, unbehelligt(er) von männlicher Kontrolle außer Haus, in Schule und Beruf unterwegs sein zu können und damit Unabhängigkeit zu erlangen; sei es die Freiheit vom Anpassungsdruck an „westliche“ Weiblichkeitsbilder; sei es die Freiheit, in Fragen der eigenen Religion selbst über Auslegung und Ausübung entscheiden zu wollen. Dieses Credo, nach dem der Schleier Freiheit bedeutet, ist ebenso lange bereits auch ein Ansatzpunkt der Gegenargumentation: Als Symbol patriarchalischer Kontrolle über den weiblichen Körper tauge der Schleier per se nicht dazu, für emanzipative Ideale eingespannt zu werden; jedes Propagieren der Verschleierung erhöhe den sozialen Druck, der Norm zu genügen und falle all den Mädchen und Frauen in den Rücken, die weltweit unter das Tuch gezwungen und in ihrer persönlichen Freiheit eingeschränkt würden; die Idee, der weibliche Körper oder Teile von ihm sollten verborgen werden, beinhalte eine Sexualisierung, die verhindere, dass Männer und Frauen sich gleichberechtigt begegnen könnten und entlasse übergriffige Männer aus ihrer Verantwortung für das eigene Tun. – Die zugespitzten gegnerischen Positionen prägen den Diskurs seit vielen Jahren, insbesondere auch in Deutschland, wo sich vor etwa 15-20 Jahren entsprechende Lager gebildet haben; als nämlich muslimische Akademikerinnen auf dem Rechtsweg den Versuch unternahmen, im Staatsdienst Kopftuch tragen zu dürfen.

In den mittlerweile über Jahrzehnte aufgebauten Auseinandersetzungen um Schleier oder Kopftuch finden sich sowohl auf Seiten der Befürworter/innen als auch auf der Gegenseite viele gute Argumente für die jeweils eigene Position. Selbstverständlich ist die Sachlage als solche differenziert und gibt es dementsprechend ausdifferenzierte Spezialdiskurse: Geht es um das Tragen eines Kopftuchs, eine weitergehende Verschleierung oder eine Ganzkörper-Verhüllung? Sind die Trägerinnen kleine Mädchen, Teenager oder erwachsene Frauen? Steht die Bekleidung im öffentlichen Raum, im Staatsdienst oder allgemein bei einer Berufsausübung in Frage? Soll, kann, darf der Staat bei religiös begründeten Formen der Bekleidung von Schülerinnen und/oder Lehrerinnen Regeln vorgeben – und so weiter… Diese Differenzierungen sind wichtig, denn es gilt Rechtsgüter abzuwägen. In der breiteren Öffentlichkeit findet allerdings ein Austausch über die Feinheiten der Kontroverse selten statt, sondern es dominieren Routine-Reflexe. Die Positionen scheinen festgefahren und werden in der Regel auf das Pro oder Contra Kopftuch verkürzt. Dass substanziell (zu) wenig gestritten und (zu) wenig auf die Detailprobleme abgestellt wird, liegt an den unterschiedlichen Prämissen der Kontrahent/innen: Wer öffentlich selbstbewusst für das Recht auf das Tragen des Tuches einsteht und es als entweder kollektives Symbol oder als Ausdruck individueller religiöser Praxis verteidigt, wird sich davon nicht mit dem Argument abbringen lassen, dass der Islam es doch gar nicht wirklich erfordere oder ein anderer Umgang mit Körperlichkeit, Glaube und sozialen Normen der richtige Weg der Emanzipation sei. Wer auf der anderen Seite Mädchen und Frauen vom Druck zur Verschleierung befreien will, reproduziert mit der Zuschreibung, das Tuch stehe „eigentlich“ für eine repressive soziale Ordnung und Sexualmoral genau die binäre Logik, die Aktivistinnen wie Nazma Khan, oder in Deutschland beispielsweise Khola Maryam Hübsch, als überholtes Zerrbild zurückweisen. In der Tat weisen empirische Forschungen z.B. unter jungen Muslimen in Deutschland darauf hin, dass die alltagsweltlichen Bedeutungen der Verschleierung sehr vielschichtig und keineswegs so eindeutig sind, wie die polarisierte öffentliche Diskussion suggeriert.

Die Forderung nach Solidarität

In der polarisierten Situation gewinnt die zweite Motivation für den World Hijab Day an Relevanz: auch nichtmuslimische Frauen sollen einen Tag lang die Erfahrung machen, wie die Verschleierung sich anfühlt, und auf Grundlage dieser (Diskriminierungs-)Erfahrung Solidarität entwickeln. Dieser Antrieb Nazma Khans artikuliert die verbreitete Gefühlslage, als Minderheit in mehrheitlich nicht-muslimischen Gesellschaften keine Anerkennung zu erfahren, sondern einem hohen Druck ausgesetzt zu sein, sich zumindest äußerlich anzupassen und unterzuordnen. Die persönlichen Erfahrungen, die die New Yorker Aktivistin mit Ausgrenzung und Stigmatisierung gemacht hat, sind keine Einzelfälle, und es stellt ein Empowerment dar, sich offensiv dagegen zu stellen. Vor allem deshalb hat der Aufruf gegen Diskriminierung aufgrund der Verschleierung in vielen Ländern und durch prominente Personen Unterstützung gefunden: in New York ist der 1.2. als Kampagnentag offiziell anerkannt, das schottische Parlament und das britische Unterhaus haben sich solidarisiert, um nur einige Beispiele zu nennen.

Das dahinter stehende Panorama der Solidaritätsbezeugungen ist indessen komplex und uneindeutig: Bilder von kleinen indischen Mädchen in einer Verschleierung, die als „freedom from evil eyes“ daher kommt, konterkarieren offenkundig das Plädoyer für den Hijab als Freiheit erwachsener Frauen. Auch unter den  eingesandten persönlichen Geschichten finden sich auf der Webseite der Kampagne eine ganze Reihe solcher, die vom Druck der Eltern und dem Leiden junger Mädchen unter dem Tuch erzählen. Ob es Zufall oder bewusst gewähltes Symbol ist, dass mit dem 1. Februar ausgerechnet der Tag zum World Hijab Day erklärt wurde, an dem Ayatollah Khomenei aus dem französischen Exil in den Iran zurückkehrte, wird sicher auch nicht geklärt werden. Selbst diese widersprüchliche Resonanz schließt aber nicht aus, den Perspektivenwechsel als eine Übung in Empathie gutzuheißen: Eine Schule in Calgary hat den Hijab Day experimentell genutzt und damit letztlich das pädagogisch berühmt gewordene Blue Eyes-Training von Jane Elliott  gegen Diskriminierung auf gegenwärtige Verhältnisse angewandt.

Für den Mut zur diskursiven Weiterentwicklung

Zusammen genommen stellt sich mit Blick auf die aktuelle Situation in – nicht nur religiös – heterogenen Gesellschaften wie der deutschen die Frage, ob eine demonstrative Positionierung gegen die Diskriminierung von Mädchen und Frauen, die in unterschiedlicher Weise verschleiert sind, nicht dringend erforderlich ist – erst recht, wenn diese das Tuch vielleicht nicht aus freien Stücken tragen. Sich gegen die Stigmatisierung zu wenden, muss nicht heißen, dass es nicht zugleich kritische und kontroverse Diskussionen über Verschleierung geben kann; im Gegenteil! Die Weiterentwicklung des Diskurses um Rechte, Freiheiten, Toleranz und deren Grenzen setzt die Anerkennung der Diskurspartner/innen als Vertreter/innen berechtigter Interessen ja voraus. Eine Verständigung z.B. über gemeinsame feministische Ziele setzt daher auch voraus, dass die Möglichkeit eines selbstbestimmten Lebens Kopftuchträgerinnen nicht kategorisch abgesprochen wird. Ein langwieriger und von (nicht-digitalen) Shitstorms markierter Weg führte zu der Erkenntnis, „dass Schminke und feminine Kleidung kein Beleg für die Unfreiheit ihrer Trägerin seien“. –  Es stünde dem Feminismus gut zu Gesicht, wenn auch das in unserer Gesellschaft paradox anmutende Phänomen von religiös selbstbestimmten Frauen, die mit bedecktem Kopf für weibliche Gleichberechtigung streiten, diskursiv aufgegriffen würde, statt es kategorisch für unmöglich zu erklären. Letztlich stehen die Frauen, die mit ihrer Bedeckung ihre Abgrenzung zu mindestens einem Teil der Normen der Mehrheitsgesellschaft sichtbar machen, pars pro toto. Nach Angriffen auf Juden, die aufgrund ihrer Kippa oder anderer Symbole als solche erkennbar waren, fanden 2018 in mehreren deutschen Städten Kippa-Tage statt. Sie ersetzen nicht die Notwendigkeit, sich in konkreten Situationen des Alltags für gesellschaftliche Vielfalt und das Recht auf religiöse Differenz einzusetzen, aber sie tragen dazu bei, real vorhandene Diskriminierung einer breiteren Öffentlichkeit bewusst zu machen und Zeichen gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit zu setzen. Auch Kopftuch tragende Frauen haben Anspruch auf diese grundlegende Solidarität.

War returns to Colombia

On January 17, the National Liberation Army (ELN) attacked the General Santander Police Academy in Bogota, resulting in 21 deaths and more than 70 wounded. Beyond the sheer number of victims, the attack is notable because it targeted a well-protected facility in the heart of the Colombian capital. In the wake of the attack, the government definitively ended the faltering peace negotiations with the ELN in Cuba.

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De regreso a la guerra en Colombia

El pasado 17 de enero, un atentado del Ejército de Liberación Nacional (ELN) en la Escuela de Policía General Santander en Bogotá, resultó en 21 muertos y más de 70 heridos. Más allá del número de víctimas, el ataque se destaca por ser una acción sin precedentes contra una instalación bien protegida en el corazón de la capital colombiana. Ante este ataque el gobierno dió fin definitivo a las vacilantes negociaciones de paz entre el ELN y el gobierno colombiano que se habían estancado en Cuba.

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Hindernislauf absolviert: Das Abkommen zum Namensstreit um Mazedonien tritt in Kraft

International durften sich die Regierungschefs von Griechenland und der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien feiern lassen, nachdem sie im Juni 2018 einen Kompromiss zum Namensstreit zwischen ihren Ländern in die Form eines Abkommens gegossen hatten. Doch bevor diese Übereinkunft in Kraft treten konnte, musste sie viele Widerstände in den Parlamenten und Öffentlichkeiten ihrer Länder überwinden. Nun sind beide ins Ziel gekommen, allerdings zu erheblichen innenpolitischen Kosten. Zu hoffen ist, dass sich andere Konfliktparteien an diesem Wagnis des Kompromisses ein Beispiel nehmen.

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Is the commercial whaling ban in danger? Japan’s withdrawal from the International Whaling Commission

After decades of whaling under an exemption for scientific research, Japan withdrew from the International Whaling Commission last month, formally resuming commercial whaling. What effects will this have on the commission, and the international ban on commercial whaling in general? While the ban has been weakened over the past decades, the recent withdrawal does not necessarily sound the death knell. Rather, it could also mean the end of decades of deadlock in the commission. More broadly, the Japanese exit raises questions of dealing with international challenges through inclusive institutions and commissions – Should inclusivity be pursued at any cost, or can it be productive to proceed on different tracks?

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Populism, executive assertiveness and popular support for strongman-democracy in the Philippines

Populists are supposed to thrive on their ability to mirror, condense and radicalize popular demands ignored by establishment politicians. This sketch on the election-promises and later policies of Philippine strongman Rodrigo Duterte suggests that their success is less dependent on any pre-existing radical popular demands, but on their authenticity as leaders who get things done and realize a government that is perceived to work for the people. The “success” of and widespread approval for Duterte’s deadly anti-crime campaign suggests that Philippine democracy is at a crossroad.

On May 10, 2016, Rodrigo Duterte gained a resounding victory in the elections for the next President of the Philippines. This was generally attributed to his populist appeal, his contrasting himself as a representative of the people against a dominant elite that held Philippine democracy hostage to its political and economic interests. Of equal importance was his image of a politician, who was willing and able to implement his promises against resistance if necessary, a politician that would not succumb to the eternal woes of Philippine democracy: corruption and clientelistic exchange of favors amongst the dominant families. The largest attention, however, caught his repeated promises to eradicate drugs and drug crime from the Philippines within three to six months, if necessary by killing criminals and druglords. After his election, he acted on his promises by instigating an anti-drug campaign in which several thousand suspects were “neutralized” by the police in so-called armed encounters. Even though Duterte was elected by only 39 percent of votes, public support for his campaign has been overwhelming at around 80 percent and more.

Source: Pulse Asia Research Inc. Ulat ng Bayan. Various surveys

Was Duterte elected for President, because he successfully “politicized latent anxieties about crime and social disorder […] to argue […] that progress would have to come at the price of liberal rights?” I argue that this understanding takes for granted what actually needs closer inspection: the temporal order of a pre-existing popular demand for a tough anti-crime policy that is ignored by the establishment-elite and only taken up by a revisionist leader.

First, one should remember that Duterte was elected on an eclectic policy platform that was much broader than the single issue of a deadly war on drugs. Duterte united a host of seemingly rather incompatible political positions, as self-proclaimed Socialist with good contacts to both the Muslim and the Communist rebels, as a critic of the Catholic Church and champion of LGBT rights, and a supporter of federalism with his image of a no-nonsense politician devoted to eradicate crime. This made it possible vote for him “because he is the most progressive presidential candidate that this country has ever had.” His swearing, blaspheme, public threats and vulgar demeanor could be reinterpreted as going against the exclusionary cultural practice of domination through social habits and education. This made it possible to imagine Duterte as an organic intellectual who “aims to win consent to counter-hegemonic ideas and ambitions.” He also promised a policy that shifted from a consumption driven economy to one based on production, with a strong focus on infrastructure aimed at a pro-poor policy and the non-metropolitan regions bringing him the support of prominent development economists as Ernesto Pernia, who became Duterte’s leading crafter of economic policies. Clearly to Filipinos, Duterte was much more than “The Punisher” or “Dirty Harry” from the Philippine South.

Second, there is hardly any evidence that Duterte’s plea for solving the crime problem by killing criminals mirrored, condense and radicalized pre-existing popular demands. Surveys on public anxieties, on perceptions of and experiences with crime do not validate the assumption of a prior public shift towards punitiveness. The quarterly Pulse Asia surveys on the people’s most urgent national concerns had “fighting criminality” persistently ranked sixth only for the past years up to the presidential campaign, lagging far behind much more pressing concerns like controlling inflation, improving workers’ pay, fighting corruption, reducing poverty and creating jobs.

Source: Pulse Asia Research Inc. Ulat ng Bayan. various surveys; grey: election period

An analysis of Filipinos’ experience with crime victimization brings similar results. Reported crime victimization of family members declined from 2010 to 2015. Reported crime victimizations rates only rose during the months of the Duterte campaign, when the topic was hot on account of Duterte’s elevation of drug crime to a national security problem and his promise to solve it within six months.

Source: Social Weather Stations. Various reports on Quarterly Surveys; grey: election period

The analysis of neighborhood fears should signal most strongly any shifts in popular demands for a harsher strategy of crime-control. Evidence is mixed, with fear of burglary and fear of unsafe streets being rather stable over the past five years, whereas fear of “many drug addicts” clearly rising. However, this trend seemed to have been broken in 2015, when all three types of neighborhood fears receded. As with the other neighborhood fears, fear of drug addicts escalated dramatically only during the election campaign and not before.

Source: Social Weather Stations 2018. First Quarter 2018 Social Weather Survey

In total, this suggests that the punitive shift of the Philippine public is largely a short-term product of a campaign and vast media coverage of the Duterte’s tough talk on crime as a national security threat. Following elections, crime as a national concern, crime victimization and fears receded to pre-election levels with the single exception of fear of drug addicts that dropped to its lowest level since 2012. Taken together with the high approval rates for Duterte’s anti-crime campaign this signals that in the public eye Duterte’s campaing was generally perceived as achieving its aim.

Even though available data suggests that the public shift towards punitiveness may be a product of the Duterte campaign, this shift has enduring consequences. The enduring and broad support for Duterte’s ‘shoot first, ask questions later’ policy of crime control signals that he has successfully established a new paradigm of crime fighting that focuses on tough crime control at the expense of due process orientation.

Clearly, to Filipinos their current government is doing a good job in fighting drug-crime. Further, despite the current administration’s illiberal policies the percentage of Filipinos satisfied with the way democracy works in the Philippines is at a similar or higher level than during the current President’s predecessor’s term.

Source: Social Weather Stations 2018. Third Quarter 2018 Social Weather Survey, no data for 2014

The extraordinarily high approval rates as well as the almost complete lack of concern about the illiberal turn of Philippine democracy signal that the current administration succeeded in convincing a large percentage of those Filipinos who did not vote for Duterte that his way of doing politics is in the Filipinos’ best interest. This perception of a successful anti-crime strategy is underscored by a continuous drop in crime.

Source: Philippine Institute for Development Studies

Even critical media report that all types of crime dropped significantly in 2017 and then again in 2018 with local police in all regions regularly reporting significant reductions be it in provincial capitals like Bacolod, in self-governing cities like Davao, in provinces like Bohol, or in the National Capital Region. As the downward trend of crime clearly preceded the Duterte presidency, the attribution to the deadly campaign of the Duterte administration is clearly premature. This, however, is completely neglected in the multitude of success messages that are regularly reported in the Philippine press.

Compared to the perceived “success” the costs – a murder rate that rose dramatically during Duterte’s first year in office – easily pales when viewed from the perspective of the ordinary citizen who has much more to grapple with physical injury, theft and robbery than with the comparatively rare cases of murder and might therefore be willing to pay the price. Duterte’s strategy seems even more convincing as in the meantime the murder rate has dropped to a low not seen during the past years.

Sources: Rappler 2017a; Rappler 2017b; PNP 2018; Dec 2018 no data

The above analysis showed that a punitive popular demand can be created by radical populists, who know the ropes of the modern media democracy. During the past years in office the Duterte administration managed to present its strategy of repressive crime control as successful. It convinced the majority of those who did not vote for Duterte that killing criminals is indeed a viable option for enhancing public security, despite the costs that have to a large extent to be borne by members of marginal communities.

This is clearly bad news for Philippine democracy and beyond, as Duterte’s perceived “success” in repressing crime provides one important pillar of domestic legitimacy for a regime that scraps much of the essentials of democratic governance. Given the overwhelming turncoatism of the Philippine political elite chances for a convincing alternative to Duterte’s “democratic” strongman-rule are dim.

Land of the Free and Incarcerated: Mass Incarceration of People of Color in the US

Over 2 million people are currently locked up either in a US jail or prison. When also including people on parole and probation this number shoots up to a staggering 6.84 million. To put this into perspective, the US population makes up only 5 percent of the world´s population but holds 25 percent of the global inmate population – no other country in the world puts this many people behind bars. Furthermore, it is disproportionately the black population that is locked into the system of mass incarceration. Examining the issue of black mass incarceration in more detail, a strong argument can be made that this system maintains and perpetuates a racialized social order severely marginalizing people of color.

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