Wenn westliche Stimmen den russischen Überfall auf die Ukraine im Februar 2022 als Angriff auf die „regelbasierte“ oder „liberale“ internationale Ordnung beschrieben haben, schwang dabei stets mit, dass es westliche Staaten und insbesondere die USA waren, die nach dem Zweiten Weltkrieg das Völkerrecht sicherten. Es waren jedoch vor allem afro-asiatische Staaten, die während des Kalten Kriegs die regelbasierte Ordnung verteidigten, wenn Aggressionen die Unverletzlichkeit internationaler Grenzen infrage stellten. Eine nähere Betrachtung dieser Geschichte kann helfen, zukunftsfähige Konzepte für die Geltungskraft internationaler Normen zu entwickeln – gerade für ein Europa, das Gefahr läuft, zukünftig zur Verhandlungsmasse der Großmächte zu werden.
Die Normen der völkerrechtlichen Gleichheit, Souveränität und territorialen Integrität sowie das Verbot von Aggressionen gelten als Kern der regelbasierten internationalen Ordnung. Infolgedessen erscheint die Existenz dieser Ordnung durch den russischen Angriffskrieg sowie die erneute Präsidentschaft Donald Trumps, seine Annäherung an Russland und die hinausposaunten territorialen Ansprüche auf Kanada und Grönland gefährdeter denn je, wenn nicht unweigerlich zerstört.
Wie die jüngere historische Forschung gezeigt hat, war die „regelbasierte“ internationale Ordnung allerdings keinesfalls eine „westliche“ Errungenschaft. Vielmehr waren es vor allem die Staaten der „Dritten Welt“, die in den Vereinten Nationen Entwicklung und Kodifizierung dieser Normen vorantrieben, sich für multilaterale Lösungsansätze für globale Probleme einsetzten und allgemein für internationale Zusammenarbeit über ideologische Grenzen hinweg eintraten. Zugleich waren sie die entschlossensten Verteidiger jener Normen, die die völkerrechtliche Gleichheit, Souveränität und territoriale Integrität aller Staaten sowie das Verbot von Aggressionen festschrieben.
Ausgehend von dieser Beobachtung, fragt dieser Blogbeitrag nach den Chancen, den Kern der regelbasierten Ordnung zu verteidigen und so eine Basis für multilaterale Kooperationen aufrechtzuerhalten.
Territoriale Konflikte und die regelbasierte internationale Ordnung im Kalten Krieg
Sicher, in Europa führte die Präsenz der USA zu einer Eindämmung der sowjetischen Expansion und ermöglichte es den Demokratien im Westen des Kontinents, in Frieden und Freiheit zusammenzuarbeiten. Das nukleare Gleichgewicht des Schreckens führte dazu, dass in Europa der Kalte Krieg nicht zu einem heißen wurde, und die Integration des geteilten Europas in zwei sich gegenüberstehende Militärbündnisse trug lange zur Konflikteindämmung innerhalb der jeweiligen Lager bei.
Um die Unverletzlichkeit ihrer Grenzen bangen mussten vor allem die afro-asiatischen Staaten, die zumeist erst kürzlich ihre Unabhängigkeit von der europäischen Kolonialherrschaft erlangt hatten. Gerade infolge der Dekolonisierungswellen der 1960er und 1970er Jahre kam es immer wieder zu territorialen Konflikten. Es war eine offene Frage, ob die Norm der territorialen Integrität in einer sich nach dem Ende der Kolonialzeit rapide wandelnden Welt respektiert werden würde, nicht zuletzt, weil Verletzer der Norm sich in der Regel auf den Rückhalt einer der beiden Supermächte oder europäischer Staaten verlassen konnten. Die USA etwa sympathisierten Mitte der 1970er Jahre mit der marokkanischen Annexion der Westsahara und der indonesischen Annexion Osttimors. Die Sowjetunion unterstützte 1971 die indische militärische Intervention, die zur Sezession Ostpakistans/Bangladeschs führte. Mit Blick auf beide Seiten lässt sich sagen, dass die Politik der Supermächte in Bezug auf territoriale Konflikte in Afrika und Asien von geostrategischen Interessen geleitet war und nicht von dem Willen, eine regelbasierte internationale Ordnung aufrechtzuerhalten.
Jene Staaten jedoch, die in der Geschichte unter imperialer Unterdrückung leiden mussten, haben sich immer wieder auf die grundlegenden Normen des Völkerrechts berufen, wenn es darum ging, globale Ungleichheiten zu bekämpfen und die eigene Souveränität zu verteidigen. Im Zeitalter der Dekolonisation begannen die ehemals unter europäischer Herrschaft stehenden Staaten, Beziehungen untereinander zu knüpfen, und es mehrten sich die Stimmen, die ein geschlossenes afro-asiatisches Auftreten auf der internationalen Bühne einforderten. Prominenter Ausdruck dieses Selbstverständnisses war die Asiatisch-Afrikanische Konferenz in Bandung 1955, deren Abschluss-Communiqué wiederholt die Prinzipien der UN-Charta hochhält.
Dementsprechend pochte die überwältigende Mehrheit der afro-asiatischen Staaten darauf, dass die in der UN-Charta festgeschriebene Norm der territorialen Integrität die Grundlage aller Lösungsansätze für territoriale Konflikte sein müsse. Ein Schlüsselereignis war die Kongokrise: Im Juli 1960 erklärte die rohstoffreiche Provinz Katanga ihre Unabhängigkeit, ein Sezessionsversuch, der nur durch militärische Unterstützung der ehemaligen Kolonialmacht Belgien möglich war. Während die politische Führung Katangas in vielen westlichen Hauptstädten Sympathien genoss, verurteilten die afro-asiatischen Länder die Sezession als Produkt neokolonialer belgischer Aggression. Das Hochhalten der Norm der territorialen Integrität ging einher mit einer Selbstbeschreibung der afro-asiatischen Staaten als Gruppe kleiner Länder, deren Aufgabe es sei, im Angesicht der Großmächte die Werte der UN-Charta zu verteidigen. In einer Sitzung des UN-Sicherheitsrats zur Kongokrise bezeichnete etwa der Repräsentant von Obervolta (dem heutigen Burkina Faso) die „kleinen Mächte“ als das „Gewissen der Vereinten Nationen“ und forderte die westlichen Staaten auf, die Unterstützung für das sezessionistische Regime in Katanga einzustellen.

Diese Rhetorik konnte die Politik der Supermächte durchaus beeinflussen. Die geopolitischen Auseinandersetzungen im Kalten Krieg waren nicht zuletzt ein Wettbewerb um Einfluss und Prestige in der „Dritten Welt“. Infolgedessen bot das Bemühen um das eigene Ansehen sowohl für Washington als auch für Moskau Anreize, sich in der internationalen Politik als Beschützer völkerrechtlicher Normen darzustellen. So verfolgten die USA letztlich einen Kurs der Aufrechterhaltung der territorialen Integrität des Kongos, obwohl die sezessionistischen Machthaber in Katanga sich ostentativ antikommunistisch gerierten.
In der Arena der Vereinten Nationen war der ideologische Konflikt zwischen den Supermächten häufig weniger einer zwischen Kapitalismus (beziehungsweise Demokratie) und Kommunismus, sondern ein rhetorischer Schlagabtausch zwischen zwei Seiten, die beide von sich behaupteten, die UN-Charta zu schützen, und der jeweils anderen Seite eine aggressive Außenpolitik vorwarfen. Das schloss völkerrechtswidrige Aktionen und moralisch fragwürdige Handlungen der Supermächte nicht aus – wie schon erwähnt, konnten Verletzer der Norm häufig auf die Unterstützung Washingtons oder Moskaus bauen, wenn es deren geostrategischen Interessen entsprach. Aber zugleich hatten beide Supermächte ein gewisses Interesse, in der Weltöffentlichkeit nicht als Verächter elementarer völkerrechtlicher Normen dazustehen. Dagegen konnte die Unterstützung von Staaten, deren Souveränität und territoriale Integrität bedroht war, das Prestige heben. So kam es während des Kalten Kriegs zu keiner Annexion durch ein ständiges Mitglied des Sicherheitsrats und insgesamt nur äußerst selten zu politischen Grenzverschiebungen infolge von Gewalt.
Dies lag vor allem an jenen Ländern, die sich selbst als „kleine Staaten“ definierten und die Vereinten Nationen als Institution verteidigten, die für die Rechte kleiner Staaten einstand. Sich nicht uneingeschränkt auf eine Seite im Ost-West-Konflikt zu stellen, diente nicht nur dem Zweck, zum eigenen Vorteil eine Supermacht gegen die andere auszuspielen, sondern auch dem Ziel, sich geschlossen für die Rechte kleiner Länder in der internationalen Politik einzusetzen. Die von afro-asiatischen Staaten propagierte internationale Ordnung hatte mit Sicherheit ihre Schattenseiten. Die uneingeschränkte Befürwortung der Norm der territorialen Integrität erlaubte es postkolonialen Staaten, sezessionistische Bewegungen mit brutaler militärischer Gewalt zu bekämpfen, wie es etwa die nigerianische Regierung im Biafrakrieg (1967-70) tat. Aber sie trug auch zur Etablierung einer Welt souveräner Nationalstaaten mit unverletzlichen Grenzen bei. So prägte nicht nur der amerikanisch-sowjetische Antagonismus, sondern auch das Wirken der afro-asiatischen Staaten die internationale Ordnung des Kalten Kriegs.
Europa als Allianz kleiner Staaten in einer Welt der Großmächte
Damit unterscheiden sich die machtpolitischen Dynamiken des Kalten Krieges substanziell von der Weltordnung, die sich in den Augen vieler infolge der russischen Aggression gegen die Ukraine und des zweiten Amtsantritts von Donald Trump abzeichnet: eine Welt, in der die Großmächte ohne völkerrechtliche Skrupel ausschließlich ihre Interessen verfolgen. Herfried Münkler etwa spricht von einer „neuen Weltordnung, in der es nur noch eine Währung gibt: Macht“. In einer solchen Welt gelingt es den kleinen Staaten im besten Fall, die Großmächte gegeneinander auszuspielen, im schlimmsten Fall einigen sich die Großmächte über Interessensphären, die von den betroffenen Staaten akzeptiert werden müssen.
Nun mehren sich die Stimmen, die eine stärkere außen- und sicherheitspolitische Zusammenarbeit Europas und mehr Investitionen in die Verteidigung fordern. Ohne Frage spricht viel dafür, dass sich Europa zukünftig zur Wahrung der eigenen Sicherheit nicht mehr auf die Vereinigten Staaten verlassen kann. Aber es bleibt offen, mit welchen politischen Zielen die Aufrüstung verbunden werden sollte. Geht es darum, dass Europa neben den USA, Russland und China als weiteres Mitglied in den Club der Großmächte aufsteigen soll? Oder geht es um die Verteidigung der immer wieder beschworenen regelbasierten internationalen Ordnung?
Im zweiten Fall reicht es nicht, sich auf den Aufbau einer eigenständigen europäischen Militärmacht zu beschränken. Zur Aufrechterhaltung internationaler Normen muss Europa über seine Grenzen hinaus Unterstützung mobilisieren. Hier kann es aus den Strategien der afro-asiatischen Staaten während des Kalten Kriegs lernen: Das mit der Selbstbeschreibung als kleine Staaten einhergehende Bekenntnis zur souveränen Gleichheit ermöglichte diesen ein gemeinsames Eintreten für die in der UN-Charta festgeschriebene Norm der territorialen Integrität, das die Supermächte des Kalten Kriegs nicht ignorieren konnten. Analog könnte sich Europa jetzt als Allianz mittelgroßer und kleiner Staaten definieren, die sich für den Erhalt der regelbasierten internationalen Ordnung einsetzt, um die Rechte aller mittelgroßen und kleinen Staaten überall auf der Welt zu schützen.
Sicherlich unterscheidet sich die gegenwärtige Weltlage von der Zeit des Kalten Kriegs und es gibt durchaus Entwicklungen, die eine solche Strategie heutzutage weniger aussichtsreich erscheinen lassen als zu Zeiten des Ost-West-Konflikts: Zum einen formuliert der „Globale Süden“ in den letzten Jahren in ganz anderer Gestalt seinen Geltungsanspruch, als es einst die „Dritte Welt“ tat. Staatengruppen wie BRICS sind vor allem Zusammenschlüsse aufstrebender Groß- und Regionalmächte, die mit Verweis auf sich wandelnde geopolitische Kräfteverhältnisse die Hegemonie des Westens hinterfragen. Das Eintreten für internationale Normen ist ihnen weniger wichtig als die Unterstreichung des eigenen Machtanspruchs. Zum anderen waren es gerade die Rivalitäten des Kalten Kriegs, die es den afro-asiatischen Staaten erlaubten, an den Aushandlungsprozessen über die Regeln der internationalen Politik mitzuwirken. Eine enge Kooperation der Großmächte, wie sie sich zwischen den USA und Russland abzeichnet, schränkt naturgemäß die Einflussmöglichkeiten kleinerer Staaten ein.
Allerdings ist es unwahrscheinlich, dass die ersten Tuchfühlungen zwischen den USA und Russland in eine dauerhafte Zusammenarbeit Washingtons, Moskaus und Pekings münden werden. Gerade zwischen den beiden in den kommenden Dekaden entscheidenden Supermächten USA und China gibt es substanzielle Interessengegensätze, die für einen Fortbestand weltpolitischer Rivalitäten sprechen, bei denen Fragen von Prestige in internationalen Foren weiterhin von Bedeutung sein werden. So bemühte die USA sich am 24. Februar 2025 vergeblich, das Verabschieden einer von der Ukraine in die UN-Generalversammlung eingebrachte Resolution zu verhindern, in der die russische Aggression verurteilt und die Einhaltung internationaler Normen eingefordert wurde. Auch wenn zurzeit vor allem die aufstrebenden, häufig russlandfreundlichen Regionalmächte des globalen Südens im Rampenlicht stehen: Dass die Resolution trotz Widerstands von Washington und Moskau mit 93 Ja-Stimmen verabschiedet wurde zeigt, dass es noch eine signifikante Anzahl von Staaten gibt, die ein Interesse an der Aufrechterhaltung der regelbasierten internationalen Ordnung haben.
Ein Europa, das sich als Allianz mittelgroßer und kleiner Staaten versteht, wäre also nicht alleine auf der Welt. Möglichkeiten der Zusammenarbeit mit nichteuropäischen Staaten böten dabei die Kooperation mit regionalen internationalen Organisationen wie der ASEAN sowie Foren wie die Münchner Sicherheitskonferenz und nicht zuletzt die Vereinten Nationen als die immer noch wichtigste Plattform, in der die Regeln der internationalen Politik verhandelt werden. Um dabei nicht als Großmacht aufzutreten, die nur auf die eigene strategische Souveränität bedacht ist, muss Europa als Gruppe mittelgroßer und kleiner Staaten möglichen Partnern auf Augenhöhe begegnen und sich über die eigenen Grenzen hinaus für die Rechte von Staaten einsetzen, deren Souveränität und territoriale Integrität bedroht ist. Gerade wenn eine Großmacht offen die elementaren Rechte kleiner Staaten infrage stellt, wie es etwa jüngst Trump mit Blick auf Panama getan hat, sollte sich Europa nicht aus egoistischen Interessen der stärkeren Seite anbiedern, sondern in internationalen Foren klar Stellung für die Aufrechterhaltung der regelbasierten internationalen Ordnung beziehen. Und in Europa selbst darf sich die angestrebte Aufrüstung nicht auf den Schutz der Grenzen der Europäischen Union oder der europäischen NATO-Staaten beschränken. Die wirtschaftliche und militärische Unterstützung der Ukraine muss nicht nur fortgesetzt, sondern intensiviert werden – unabhängig vom weiteren Verlauf des Kriegs und eventuell anstehender Verhandlungen. Jetzt die Ukraine fallen zu lassen, würde alle europäischen Beschwörungen der regelbasierten internationalen Ordnung als pure Heuchelei entlarven.
In Anbetracht aller Hürden und gegenläufigen Entwicklungen ist der Schutz der regelbasierten internationalen Ordnung keine leichte Aufgabe. Aber sie ist immer noch erfolgversprechender als die beiden Alternativen: Ein Weitermachen wie bisher würde den Bedeutungsschwund Europas verstärken – eine Entwicklung, die nicht nur Europas globale Position, sondern Frieden, Sicherheit und Wohlstand des Kontinents bedroht. Und sich zu einer ebenbürtigen Großmacht zu mausern, erscheint illusionär. Denn Europa wird auf absehbare Zeit nur schwer gegen die USA und China (und militärisch auch gegen Russland) bestehen können. Selbst bei größtmöglichen Anstrengungen würde Europa in den nächsten Jahren kaum eine konkurrenzfähige Militärmacht schaffen und ähnlich geschlossen auftreten, wie es die drei Großmächte, die zugleich Nationalstaaten sind, jeweils tun können. Und auf globaler Ebene würde ein als Großmacht auftretendes Europa wohl noch weniger Sympathien genießen als seine Konkurrenten angesichts der langen Liste von Kolonialverbrechen, die begangen wurden, als europäische Staaten noch das Weltgeschehen dominierten.
Als Bündnis mittelgroßer und kleiner Staaten könnte Europa jedoch selbstbewusst und glaubwürdig wirken, nicht zuletzt, weil es de facto in absehbarer Zeit auch nicht mehr sein wird als eine Gruppe mittelgroßer und kleiner Staaten, die versucht, in schweren Zeiten so geschlossen wie möglich aufzutreten. Die von einem solchem Bündnis propagierte internationale Ordnung hat gute Chancen, von allen unterstützt zu werden, die fürchten, in einer Welt der Großmachtrivalitäten unter die Räder zu kommen. Das transatlantische Zerwürfnis infolge des zweiten Amtsantritts von Donald Trump bietet hier sogar Chancen, ist es nun doch weitaus schwerer, den Europäern vorzuwerfen, dass sich hinter dem Konzept der regelbasierten internationalen Ordnung westliche Hegemonieansprüche verbergen. Auch in den Bevölkerungen Europas ließe sich für eine solche Vision wohl mehr Unterstützung mobilisieren als für das Ziel der Schaffung einer europäischen Großmacht. Sie kann sowohl bei Anhängern einer Vertiefung der europäischen Zusammenarbeit als auch bei jenen Anklang finden, die dem Projekt eines europäischen Superstaates skeptisch gegenüberstehen. Dabei ist auch eine Kooperation mit den Supermächten China und USA nicht ausgeschlossen, wenn immer diese eine Politik verfolgen, die im Einklang mit der regelbasierten internationalen Ordnung ist und Europa nicht in eine dauerhafte Abhängigkeit führt.
Ein Plädoyer für ein Europa, das selbstbewusst an der Gestaltung der zukünftigen internationalen Ordnung mitwirkt, mag in Zeiten der gegenwärtigen europäischen Schwäche überambitioniert erscheinen. Aber wenn Politiker von den europäischen Bevölkerungen Kraftanstrengungen zur Schaffung einer europäischen Militärmacht einfordern, sollte dies mit einer positiven, konsensfähigen Zukunftsvision verbunden sein. Diese Vision sollte zugleich für alle Staaten über Europa hinaus attraktiv sein, die sich ebenso über die Gefährdung grundlegender internationaler Normen sorgen. Im besten Fall schafft sie auch für die beiden Supermächte USA und China Anreize, sich im Einklang mit der regelbasierten internationalen Ordnung zu verhalten. Nicht, weil die Regierungen in Washington und Peking von den Normen dieser Ordnung überzeugt sein müssen, sondern weil es in Zeiten des Wettbewerbs um Macht und Prestige auch für Supermächte zweckgemäß sein kann, auf internationaler Bühne als Hüter der regelbasierten Ordnung dazustehen, um weltweit Einfluss auszubauen.