German debates about the Israel-Gaza war often get caught up in polarising terminology. This applies in particular to the dispute whether a genocide is occurring. Apart from the legal assessment currently being made by the International Court of Justice, a parallel, polemical discussion about the concept of genocide distracts from actual priorities for action. The war has already cost tens of thousands of lives, and many more Palestinians will die as a direct and indirect consequence of the war. The mass violence against civilians and the destruction of conditions of life in Gaza must end immediately – regardless of whether the legal conditions for genocide are met.
Author: Hanna Pfeifer
Israel-Gaza jenseits des Genozid-Begriffs: Massengewalt gegen Zivilist*innen jetzt beenden
Deutsche Debatten über den Israel-Gaza-Krieg verfangen sich oft in polarisierenden Begrifflichkeiten. Das gilt insbesondere für den Streit um das Vorliegen eines Genozids. Abgesehen von der juristischen Einschätzung, die derzeit der Internationale Gerichtshof vornimmt, lenkt eine parallellaufende, polemische Diskussion um den Völkermordsbegriff von den eigentlichen Handlungsprioritäten ab. Der Krieg kostete schon Zehntausende das Leben, noch viel mehr Palästinenser:innen werden an direkten und indirekten Kriegsfolgen sterben. Die Massengewalt gegen Zivilist:innen und der Entzug von Lebensgrundlagen in Gaza müssen sofort beendet werden – unabhängig davon, ob juristisch die Bedingungen für einen Genozid erfüllt sind.
Israel–Gaza: A German War Discourse
The way the escalation of violence in Israel, the Gaza Strip, and adjacent areas in the region is discussed in Germany is, in many respects, not surprising. It follows the structural dynamics of war discourses: the polarization into a friend–enemy schema; the negation of moral ambivalence; patterns of legitimation which suggest that the actions of one side are more than justified by the previous actions of the other side; the compulsion of the threat situation, discrediting reflection and distancing as inappropriate; the construction of unparalleled amorality; the circumvention of humane standards through dehumanization of the enemy; the simplification of an inherently complex situation.
Israel – Gaza: Ein deutscher Kriegsdiskurs
Wie über die Gewalteskalation in Israel, dem Gazastreifen und angrenzenden Gebieten der Region in Deutschland gesprochen wird, ist in vielerlei Hinsicht nicht überraschend, sondern folgt der strukturellen Dynamik von Kriegsdiskursen: die Polarisierung in ein Freund-Feind-Schema; das Negieren moralischer Ambivalenz; das Rechtfertigungsmuster, wonach die Akte der einen Seite durch vorherige Akte der anderen Seite mehr als gedeckt seien; der Zwang der Bedrohungslage, die Reflexion und Distanzierung als unangemessen diskreditiert; die Konstruktion beispielloser Amoralität; die Aushebelung humaner Standards durch Entmenschlichung des Feindes; die Vereindeutigung einer unauflösbar komplexen Lage.
Nicht darüber reden ist auch keine Lösung: Die Rolle von Autokratie und Demokratie in der Nationalen Sicherheitsstrategie
Mit dem Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine wurde das Narrativ eines globalen Wettstreits zwischen Demokratien und Autokratien wiederbelebt, das bereits im Zuge des Aufstiegs Chinas an Bedeutung gewonnen hatte. Im März 2022 hatte auch Außenministerin Annalena Baerbock noch von einem „Bündnis von liberalen Demokratien weltweit“ gesprochen, das es gegen die Diktaturen dieser Welt zu schließen gelte. Etwas mehr als ein Jahr später hat die Bundesregierung nun ihre Nationale Sicherheitsstrategie veröffentlicht, in der vom Zwei-Lager-Denken nichts mehr zu finden ist. Diese positive Entwicklung wird jedoch konterkariert von einem weitgehenden Schweigen zu Fragen von Stabilität und Sicherheit, die sich im Umgang mit unterschiedlichen Regimetypen stellen – was auch keine Lösung ist, wie wir im Folgenden argumentieren.
Inklusion statt Systemkonkurrenz
Im UN-Kontext wäre es kontraproduktiv, einen globalen Konflikt zwischen Demokratien und Autokratien zu forcieren, argumentieren Pascal Abb, Hanna Pfeifer und Jonas Wolff in einem Standpunkt für die Zeitschrift Vereinte Nationen.
Gemeinsam gegen die bösen Autokratien? Zu den Fallstricken demokratischer Allianzbildung als Pfeiler einer zukünftigen deutschen Sicherheitsstrategie
In Reaktion auf den Aufstieg Chinas und das zunehmend selbstbewusste Auftreten autoritär verfasster Staaten hat sich auch im deutschen außenpolitischen Diskurs das Bild eines neuen „Systemwettbewerbs“ verfestigt. Die Vorstellung, dass sich die Demokratien dieser Welt im Angesicht bedrohlicher Autokratien zusammenschließen müssen, hat durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine weiter Nahrung erhalten. Die Bundesregierung wäre allerdings schlecht beraten, diese Idee einer Zweiteilung der Welt in gute Demokratien und schlechte Autokratien zur Grundlage ihrer Nationalen Sicherheitsstrategie zu machen.
Den Bürger*innen mehr zutrauen: Für frühe, entschiedene, substantielle Bürger*innenbeteiligung in der Außen- und Sicherheitspolitik nach der Zeitenwende
Nachdem Bundestag und Bundesrat ein Sondervermögen in Höhe von 100 Milliarden Euro „für eine leistungsstarke Bundeswehr“ beschlossen haben, beginnt sich die von Bundeskanzler Olaf Scholz ausgerufene Zeitenwende in der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik in Reaktion auf den russischen Einmarsch in die Ukraine zu materialisieren. Auch der über Jahrzehnte konstatierte und oftmals lamentierte Mangel einer breiten sicherheitspolitischen Debatte scheint damit schlagartig beseitigt. Inmitten des derzeitigen öffentlichen Schlagabtausches soll nun die Nationale Sicherheitsstrategie entwickelt werden – und zwar unter Beteiligung von Bürger*innen. Damit setzt das federführende Auswärtige Amt einen Trend zur Öffnung fort und hat nun die Chance, Partizipation in der Außen- und Sicherheitspolitik zu stärken.
“Enlist Now!” – Or Don’t? Why we should be concerned about foreign fighting in Ukraine
With the recent escalation of Russia’s war on Ukraine, tens of thousands of foreign fighters have flocked to the region. While the widespread praise for individuals supporting the Ukrainian defense effort is understandable, governments should take measures to prevent their citizens from joining the war. Foreign fighters epitomize the privatization of wars, and the multiplicity of individual motives and aims contributes to the conflict’s complexity. The involvement of third-country nationals also has the potential to escalate the conflict further. Lastly, Western countries will have to deal with returnees who are better trained, traumatized, and potentially radicalized.
The Tricky Politics of Recognizing Armed Non-State Actors
The new volume “Armed non-state actors and the politics of recognition” by editors Anna Geis, Maéva Clément, and Hanna Pfeifer discusses armed non-state actors and their strategic pursuit of being recognized as political actors. It includes methodological considerations as well as case studies from China, Ireland, Lebanon, Nigeria and, Sudan among others. The contributions study the strategic choices that state leaders, citizens, international organizations, and others make in granting such recognition, denying it, or recognizing on their own terms.