President Trump, Secretary of Defense James N. Mattis and Marine Gen. Joseph F. Dunford Jr. on Memorial Day
US-Präsident Trump, Verteidigungsminister Mattis und Marinegeneral Dunford Jr. am Memorial Day | Photo: James N. Mattis | CC BY 2.0

Trumps Entscheidung, die Soldaten aus Syrien abzuziehen: berechenbar und unfair

Die Entscheidung von US-Präsident Trump, das amerikanische Militär aus Syrien abzuziehen, kam zum jetzigen Zeitpunkt überraschend – Unberechenbar war sie allerdings keineswegs. Trump hatte sich schon im Wahlkampf stets eindeutig gegen Interventionen positioniert, doch dieser Umstand geriet über seine wechselvolle Außenpolitik zunehmend in Vergessenheit.

Unerwartet waren vor diesem Hintergrund vor allem die Militärschläge gegen das Assad-Regime, jeweils im April 2017 und 2018. In der Folge wurden diese Angriffe dann auch von Trumps Anhängern scharf kritisiert. Zustimmung kam zum Teil von politischen Gegnern, die sich in positiver Weise an frühere humanitär motivierte Interventionen der Vereinigten Staaten erinnert fühlten. Die sonst insgesamt Trump-kritische deutsche Politik qualifizierte die Militärschläge, trotz naheliegender völkerrechtlicher Bedenken, als „nachvollziehbar“, was auch der Wahrnehmung in weiteren westlichen Staaten entsprach. Nun will Trump aber doch nicht als „Weltpolizist“ fungieren und enttäuscht damit die Erwartungen internationaler und regionaler Akteure. Die Rolle Amerikas als vermeintlicher leader of the free world wird hierdurch – es erschien kaum möglich – noch mehr geschwächt.

Was beim Abzug besonders hervorzuheben ist: Er erfolgte gegen den Rat wichtiger Regierungsmitglieder und Berater. So ist verschiedenen Medien zu entnehmen, dass sowohl Außenminister Pompeo als auch Verteidigungsministers Mattis und Sicherheitsberater Bolton sich bemühten, Trump in dieser Sache umzustimmen. Mattis trat aus Anlass der Entscheidung inzwischen sogar zurück und begründet dies in einem Schreiben an den Präsidenten. Aber nicht nur durch seine öffentliche Form, ist das Schreiben bemerkenswert, sondern auch bezogen auf seinen ungewöhnlich offen kritischen Inhalt. Mattis hebt hervor, dass die Stärke Amerikas auch aus der Stärke seiner Partnerschaften und Allianzen resultiert: Leadership ja, America First à la Trump nein.

In den ersten beiden Jahren der Präsidentschaft Trumps war vor allem die Rhetorik entgrenzt. Die Entscheidungen selbst schienen, trotz aller Irritationen, letztlich nicht völlig losgelöst von institutionellen Strukturen sowie politischer und militärischer Beratung (auf diese Frage gehe ich in einem gerade erschienen Buchkapitel näher ein). Illustrierend kann an dieser Stelle erwähnt werden, dass etwa der Rückzug aus dem Pariser Klimaabkommen zu den Bedingungen erfolgte, die das Abkommen formuliert. Der Rückzug selber schädigt also das Ziel, das Klima zu schützen, bricht aber nicht das Abkommen.

Auch das lange Festhalten am sogenannten Iran-Deal – entgegen der Wahlkampfversprechen Trumps – nährte den Eindruck, dass der US-Präsident zumindest in diesen außenpolitischen Fragen gewillt ist, Beratung anzunehmen. Dass dieser Eindruck trügerisch war, bestätigte freilich die Ankündigung des Rückzugs im Mai 2018.

Die aktuelle Entwicklung entspricht nun auch diesem Muster. Trumps Entscheidung, die Soldaten aus Syrien komplett und aus Afghanistan womöglich in bedeutendem Umfang abzuziehen, fällte der Präsident offenbar weitgehend alleine. Es drängt sich die Beobachtung auf, dass das Amtsjahr 2018 das Jahr gewesen sein könnte, in dem Trump sich entscheidend von den Meinungen auch der ihm gewogenen Berater „emanzipierte“. Neben Mitgliedern der Regierung haben auch führende Republikaner aus dem Kongress ihr Unverständnis über diesen Alleingang zum Ausdruck gebracht, den sie in der Sache für völlig falsch halten.

Denn unter Außenpolitik-Experten besteht Einigkeit darüber, dass der IS nicht als besiegt gelten kann und dass gegenüber verbündeten in Syrien Verpflichtungen bestehen, die im Sinne amerikanischer Interessen eingehalten werden sollten. Der Alleingang Trumps, aus dem sich eine Missachtung außenpolitischer und militärischer Expertisen ablesen lässt, könnte zur Folge haben, dass sich Gegner und bisherige Befürworter Trumps unter dem Mantel der Expertise nun doch entscheidend gegen Trump vereinigen. Da dies bereits absehbar ist, wird es spannend sein, inwieweit Trump dies durch die Neubesetzung freigewordener Posten weiter verschärft oder abzufedern versucht.

In der bisherigen Außenpolitik Trumps spielen die Konzepte der Unberechenbarkeit und der Fairness eine wichtige Rolle –Begriffe, die Trump entweder selbst häufig verwendet (Fairness) oder die von Anderen zur Beschreibung seiner Politik verwendet werden (Unberechenbarkeit). Bezogen darauf wäre abschließend festzustellen, dass die aktuelle Entscheidung keineswegs unberechenbar war, sondern einer Rückkehr auf eine ursprüngliche Position bedeutet. Was die Fairness betrifft, so scheint diese bei Trump bislang in einem sehr spezifischen  Verständnis der Reziproziät (Keohane) zu bestehen, das darauf fußt, dass sich Gegenleistungen in der internationalen Politik exakt entsprechen sollen. Hier scheint es, dass Trump mit dem einseitigen Rückzug aus formellen und informellen Allianzen selbst seinen eigenen Standards nicht entspricht. Vor dem Hintergrund des Klimaabkommens, des Iran-Deals und des Rückzugs aus Syrien wäre es insgesamt an der Zeit, sich noch einmal mit den Versprechen Trumps aus dem Wahlkampf zu befassen.

 

Angriff auf die liberale Weltordnung. Die amerikanische Außen- und Sicherheitspolitik unter Donald TrumpDieser Beitrag basiert auf Auszügen des gerade erschienen Sammelbandes „Angriff auf die liberale Weltordnung. Die amerikanische Außen- und Sicherheitspolitik unter Donald Trump“, den Stefan Kroll gemeinsam mit Christopher Daase herausgegeben hat. [SpringerVS]
Stefan Kroll

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Dr. Stefan Kroll ist Leiter der Abteilung für Wissen­schafts­kommunika­tion und Senior Researcher im Programm­bereich Inter­nationale Insti­tutionen. Seine Arbeits­schwer­punkte liegen im Bereich inter­diszi­plinärer Normen- und Institutionen­forschung, des Wissens­transfers und der politischen Bildung für Themen der Friedens- und Konflikt­forschung. // Dr. Stefan Kroll is Head of Science Communication and a Senior Researcher at PRIF’s research department International Institutions. His work focuses on inter­disciplinary research on norms and insti­tutions, know­ledge transfer, and political education for peace and conflict research topics.. | Twitter: @St_Kroll

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Dr. Stefan Kroll ist Leiter der Abteilung für Wissen­schafts­kommunika­tion und Senior Researcher im Programm­bereich Inter­nationale Insti­tutionen. Seine Arbeits­schwer­punkte liegen im Bereich inter­diszi­plinärer Normen- und Institutionen­forschung, des Wissens­transfers und der politischen Bildung für Themen der Friedens- und Konflikt­forschung. // Dr. Stefan Kroll is Head of Science Communication and a Senior Researcher at PRIF’s research department International Institutions. His work focuses on inter­disciplinary research on norms and insti­tutions, know­ledge transfer, and political education for peace and conflict research topics.. | Twitter: @St_Kroll

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