Donald-Trump- und Kim-Jong-un-Graffiti von Lush Sux, Wien
Donald-Trump- und Kim-Jong-un-Graffiti von Lush Sux, Wien | Photo: Bwag | CC BY-SA 4.0

Zum offenen Ende des 2. Trump-Kim-Gipfels in Hanoi: Weder Scheitern noch Durchbruch

Der Gipfel zwischen US-Präsident Donald Trump und Nordkoreas Führer Kim Jong-un letzte Woche in Hanoi endete abrupt und ohne eine Einigung. Doch das Ende der Verhandlungen bedeutet das nicht, sofern beide Seiten bereit sind, ihre Verhandlungsstrategien anzupassen. Ein Kommentar von Hans-Joachim Schmidt

Die schlechte Nachricht ist: der Gipfel zwischen US-Präsident Donald Trump und dem nordkoreanischen Führer Kim Jong-un endete ohne gemeinsames Ergebnis. Damit gerät auch die weitere Annäherung zwischen Nord- und Südkorea ins Stocken, die durch den geplanten Nord-Süd-Gipfel in Seoul Ende März 2019 erwartet worden war. Die gute Nachricht ist: die Verhandlungen gehen weiter. Die USA wollen laut Trump ihre Sanktionen nicht weiter verschärfen und verzichten auch weiterhin auf ihre bi- und multilateralen Großmanöver in und um Südkorea. Im Gegenzug hält Nordkorea an seinem Moratorium für Raketen- und Nukleartests fest. Was noch wichtiger ist, Trump und Kim sowie die Mitglieder ihrer Delegationen verzichteten auf jede Form unsachlicher Kritik und emotionaler Vorwürfe und Herabsetzungen der jeweils anderen Seite. Beide Seiten betonten, dass es konstruktive und freundschaftliche Gespräche mit deutlichen Fortschritten gegeben habe, die aber jetzt noch kein gemeinsames Ergebnis ermöglichten. Der japanische Ministerpräsident Shinzo Abe begrüßte diesen Ausgang. Der südkoreanische Präsident Moon Jae-in bedauerte hingegen dieses Ende und will sich dafür einsetzen, dass die Gespräche möglichst bald wieder aufgenommen werden. China und Russland bedauerten zwar offiziell ebenso dieses Ergebnis, dürften aber insgeheim ganz froh darüber sein. Ihnen geht die nordkoreanisch-amerikanische Annäherung zu schnell und sie fürchten, ihren Einfluss in Pjöngjang zu verlieren.

Was war passiert?

Beide Seiten sind von ihren jeweiligen Ausgangspunkten aus mit zu hohen Erwartungen in die Verhandlungen gegangen. Wobei beide, Kim wie Trump, aufgrund des gewählten Top-down-Ansatzes und des guten persönlichen Verhältnisses zueinander davon ausgingen, den jeweils anderen zu den entscheidenden Zugeständnissen trotz großer Differenzen überreden zu können. Die USA wollten als ersten Schritt wenigstens ein Einfrieren des nordkoreanischen Raketen- und Kernwaffenprogramms erreichen. Nordkorea wollte mindestens eine Teilaufhebung der Sanktionen (aller UN-Sanktionen seit 2016) für den vollständigen Abbau des Yongbyon-Nuklearkomplexes. Über dieses nordkoreanische Angebot wurde schon in den bilateralen Vorbereitungsgesprächen zum Gipfel gesprochen. Der pragmatische amerikanische Sonderbotschafter für Korea, Stephen Biegun, warnte die Nordkoreaner damals bereits, dass dieses Angebot für einen Kompromiss mit der US-Regierung nicht ausreichend sei. Laut dem späteren Statement des nordkoreanischen Außenministers Ri Jong-ho sollten fünf von elf UN-Sanktionen aufgehoben werden, die auch für die Versorgung der Bevölkerung von Bedeutung gewesen wären. Die USA hingegen behaupteten, dass die Nordkoreaner auf die Aufhebung aller Sanktionen bestanden hätten.

Obwohl die USA nicht wussten, ob Kim Jong-un sein Angebot erhöhen würde, fuhren sie mit einer 15-köpfigen Delegation nach Hanoi zum Gipfel. Auch die nordkoreanische Seite war nach den Vorgesprächen mit den US-Unterhändlern gewarnt, dass der Gipfel ohne Ergebnis enden könnte. Aber auch Kim Jong-un nahm dieses Risiko mit seiner 5-köpfigen Delegation bewusst in Kauf.

Auf dem Gipfel gab es Verhandlungen auf Arbeitsebene, in denen vor allem über das nordkoreanische Angebot und mögliche Gegenleistungen der USA (vorrangig die Sanktionen) verhandelt wurde. Zudem gab es direkte Vieraugengespräche zwischen Donald Trump und Kim Jong-un, in denen sehr viel mehr diskutiert wurde, z.B. die Entführungsfrage zwischen Nordkorea und Japan. Dabei sind die Erläuterungen der US-Unterhändler, dass Nordkorea in den Verhandlungen möglicherweise mehr forderte, durchaus glaubwürdig. Es ist eine bekannte Verhandlungspraxis der Nordkoreaner, schon zugesagtes wieder in Zweifel zu ziehen, um der Gegenseite noch mehr Zugeständnisse abzuringen. Auch beim abzurüstenden Nuklearkomplex in Yongbyon, der sich über mehrere Quadratkilometer erstreckt und aus über 300 Einrichtungen besteht, soll bis zum Schluss nicht ganz klar gewesen sein, was dort tatsächlich alles abgerüstet werden sollte. Das Angebot von Kim Jong-un war in mehrfacher Hinsicht für die USA interessant. Erstens signalisierte damit Nordkorea zum Abbau des Plutoniumprogramms bereit zu sein. Zweitens wurden erstmalig auch Einrichtungen, die dem Uranprogramm dienten, in das Abrüstungsangebot einbezogen. Drittens sollten nicht Inspektoren der Internationalen Atomenergieagentur, sondern amerikanische Inspektoren den Abbau überwachen.

Dass die USA dieses Angebot dennoch abgelehnt haben, liegt daran, dass es aus einer ganzen Reihe von anderen Gründen nicht ausreichend war: Das nukleare Testgebiet und alle schon vorhandenen nuklearen Sprengkörper und der größte Teil des Urananreicherungsprogramms blieben außen vor. Auch das Raketenprogramm und andere Trägersysteme wurden nicht thematisiert. Mit der Annahme des nordkoreanischen Teilabrüstungsvorschlags hätten die USA Nordkorea de facto als Nuklearmacht anerkannt und ihr Ziel der vollständigen nuklearen Abrüstung in Zweifel gezogen. Trump hätte sich auch international geschwächt, wenn er mit diesem mageren Ergebnis vor dem UN-Sicherheitsrat die Aufhebung der UN-Sanktionen gefordert hätte. Auch innenpolitisch wäre er noch mehr unter Druck geraten. Die anvisierte Teilaufhebung der Sanktionen hätte Nordkorea zudem für die Finanzierung des Uranwaffenprogramms nutzen können. Trump versuchte daher kurz vor dem Ende der Gespräche, Kim Jong-un zu einem großen Deal zu überreden. Kim Jong-un wollte aber nicht über sein bisheriges Angebot hinausgehen. Daraufhin brachen die USA den Gipfel kurzfristig ab.

Besser kein Deal als ein schlechter Deal

Die Entscheidung Trumps war unter diesen Bedingungen richtig, zumal die Fortsetzung der Gespräche von beiden Seiten offengehalten wird. Kim Jong-un muss zwar keine Einschränkungen seines Raketen- und Kernwaffenprogramms hinnehmen, auf der anderen Seite kehrt er aber in der Frage der Sanktionen und weiteren wirtschaftlichen Entwicklung mit leeren Händen zurück. Er ist daher auf chinesische Hilfe angewiesen, um die aktuelle Versorgungsnotlage an Lebensmitteln für die Bevölkerung zu mindern. Nordkorea muss nun sein weiteres Vorgehen überdenken, denn die USA erwarten ein besseres Angebot. Dafür bleibt Nordkorea nicht mehr viel Zeit, denn spätestens in einem Jahr beginnt der Präsidentschaftswahlkampf in den USA. Dabei ist unklar, ob Trump wiedergewählt wird. Sollte er wiedergewählt werden, wäre es für Nordkorea sicherlich besser, zuvor einen ersten Kompromiss mit Trump erreicht zu haben.

Die Verhandlungen sind mit dem ergebnislosen Gipfel in einer kritischen Phase. Sie können jetzt entweder scheitern oder zu weiteren Fortschritten führen. Südkorea will daher möglichst schnell die wechselseitige Enttäuschung überwinden und die Gespräche zwischen den USA und Nordkorea wieder in Gang bringen. Hierzu sollte es sowohl nach Pjöngjang als auch nach Washington Sonderbotschafter entsenden, die dort mit neuen Vorschlägen die Gegensätze zu überbrücken versuchen und die Debatte wieder in Gang bringen können. Darüber hinaus sollte Südkorea bald zu einer großen rüstungskontrollpolitischen Expertenkonferenz einladen, um weitere Ideen für den konstruktiven Fortgang der Gespräche zu fördern.

Auch die USA müssen ihre bisherige Haltung überdenken. Viele amerikanische Unterhändler geben unter der Hand zu, dass sie an eine völlige Denuklearisierung Nordkoreas mit diplomatischen Mitteln nicht mehr glauben. Die militärische Alternative dafür ist aber mit zu hohen Risiken verbunden. Am Ziel der vollständigen nuklearen Abrüstung Koreas muss zwar festgehalten werden, um ein wiedervereinigtes Korea mit Nuklearwaffen zu verhindern, aber sonst täte auch der US-Abrüstungspolitik mehr Realismus gut. Denn wenn ein nukleares Nordkorea nicht mehr zu verhindern ist, sollte es wenigstens so weit wie möglich kontrollierbar beschränkt werden. Ob in diesem Kontext die USA dafür alle Sicherheitsgarantien für Nordkorea alleine erbringen können, erscheint zweifelhaft. Hinzu kommt, dass die von den bilateralen Verhandlungen ausgeschlossen Länder China und Russland jederzeit als Störer auftreten können. Ohnehin fürchtet China, dass die Trump-Regierung mit ihrem bilateralen Verhandlungsansatz das nordkoreanische Bündnis mit China und Russland zu schwächen versucht, und bemüht sich umgekehrt mit der Hilfe Nordkoreas das Bündnis zwischen Südkorea und den USA zu schwächen. Ein multilateraler Verhandlungsansatz würde diese Probleme besser vermeiden und regeln können.

Hans-Joachim Schmidt
Dr. Hans-Joachim Schmidt ist Assoziierter Forscher am Programmbereich „Internationale Politik“ der HSFK, wo er von 1982-2017 als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Programmbereich Internationale Sicherheit tätig war. Seine Forschungsschwerpunkte sind Nordkorea und konventionelle Rüstungskontrolle in Europa. // Dr Hans-Joachim Schmidt is an Associate Fellow at PRIF's Research Department “International Politics”, where he was a Senior Researcher at the research department International Security from 1982-2017. His research focuses on North Korea and conventional arms control in Europe. | Twitter: @HajoSchm

Hans-Joachim Schmidt

Dr. Hans-Joachim Schmidt ist Assoziierter Forscher am Programmbereich „Internationale Politik“ der HSFK, wo er von 1982-2017 als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Programmbereich Internationale Sicherheit tätig war. Seine Forschungsschwerpunkte sind Nordkorea und konventionelle Rüstungskontrolle in Europa. // Dr Hans-Joachim Schmidt is an Associate Fellow at PRIF's Research Department “International Politics”, where he was a Senior Researcher at the research department International Security from 1982-2017. His research focuses on North Korea and conventional arms control in Europe. | Twitter: @HajoSchm

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