In den Jahren 2018 und 2019 weckten drei bilaterale Treffen zwischen dem ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump und Nordkoreas Machthaber Kim Jong- verhaltene Hoffnungen auf eine baldige Regelung des nordkoreanischen Nuklearkonflikts. Bis auf eine Beschränkung amerikanisch-südkoreanischer Großmanöver und den nordkoreanischen Verzicht auf Tests von Nuklearsprengkörpern und weitreichende Raketen gab es jedoch seither keine weiteren substanziellen Fortschritte. Mit der neuen US-Regierung unter Präsident Joe Biden verändern sich nun die Vorzeichen: angekündigt ist ein stärker multilaterales und Diplomatie-geleitetes Vorgehen, während gleichzeitig härtere Verhandlungen zu erwarten sind. Dabei wird auch das künftige Management des Macht- und Handelskonfliktes zwischen den USA und China sowie mit Russland eine wichtige Rolle spielen. 

Biden und Nordkorea – Der schwierige Weg zur nuklearen Abrüstung

In den Jahren 2018 und 2019 weckten drei bilaterale Treffen zwischen dem ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump und Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un verhaltene Hoffnungen auf eine baldige Regelung des nordkoreanischen Nuklearkonflikts. Bis auf eine Beschränkung amerikanisch-südkoreanischer Großmanöver und den nordkoreanischen Verzicht auf Tests von Nuklearsprengkörpern und weitreichende Raketen gab es jedoch seither keine weiteren substanziellen Fortschritte. Mit der neuen US-Regierung unter Präsident Joe Biden ändern sich nun die Vorzeichen: angekündigt ist ein stärker multilaterales und Diplomatie-geleitetes Vorgehen, während gleichzeitig härtere Verhandlungen zu erwarten sind. Dabei wird auch das künftige Management des Macht- und Handelskonfliktes zwischen den USA und China sowie mit Russland eine wichtige Rolle spielen. 

Die Beziehungen zwischen Washington und Pjöngjang stagnierten im letzten Jahr. Der ehemalige US-Präsident Trump versuchte zwar die Verhandlungen mit seinem neuen Sonderbotschafter Stephen Biegun wieder zu beleben, doch beide Seiten präsentierten nach dem gescheiterten Gipfel in Hanoi 2019 keine neuen Ansätze. Trump verkündete vor den Präsidentschaftswahlen, er wolle sich nach seiner Wiederwahl wieder verstärkt der Denuklearisierung Nordkoreas widmen, blieb aber jede Antwort darüber schuldig, wie das konkret aussehen sollte. Immerhin hielt bislang die persönliche bilaterale militärische Zurückhaltungsvereinbarung vom ersten Shanghai-Gipfel. Nordkorea verzichtet seither auf neue Tests von Nuklearsprengköpfen und weitreichende Raketen und die USA reduzierten ihre bilateralen Großmanöver mit Südkorea weitgehend auf Stabsrahmenübungen, bei denen die Offiziersstäbe der beteiligten Verbände die Übung hauptsächlich am Computer simulieren.

Kim Jong-un hält an seiner Nuklearpolitik fest

Für Nordkorea waren die drei bilateralen Treffen zwischen ihrem Führer Kim Jong-un und Donald Trump in mehrfacher Hinsicht ein Erfolg: Der internationale Status des Landes wurde deutlich aufgewertet und die Führung betrachtet das als wichtigen Erfolg und Bestätigung ihrer nuklearen Aufrüstung. Hinzu kam das offensichtlich sehr gute persönliche Verhältnis zwischen Trump und Kim Jong-un, das Nordkorea geschickt für die Fortsetzung seines Nuklearwaffen- und Raketenprogramms unterhalb der Testebene zu nutzen wusste. Nordkorea unterstützte daher auch offen die Wiederwahl US-Präsident Trumps und bezeichnete den Präsidentschaftskandidat Biden offiziell als „Idiot“ und als jemand, der sich in den „Anfängen der Demenz“ befinde. Bisher hat sich Nordkorea noch nicht offiziell zur Wahl des neuen US-Präsidenten Biden geäußert. Offensichtlich wird dort noch abgewartet, wie sich Joe Biden und sein Außenminister Anthony Blinken künftig zu Nordkorea verhalten.

Auf dem jüngsten nordkoreanischen Parteikongress im Januar 2021 bezeichnete Kim Jong-un die USA dennoch als Hauptfeind (principal enemy) und begründete damit die Fortsetzung seines Nuklearwaffenprogramms − darunter die Entwicklung von taktischen Nuklearsprengköpfen, von neuen feststoffgetriebenen Interkontinentalraketen mit einer Reichweite von 15.000 km sowie von neuen U-bootgestützten Raketen. Längerfristig sollen sogar Satelliten und atomgetriebene U-Boote entwickelt werden. Zugleich räumte er aber auch ein, dass die wirtschaftlichen Ziele des Fünfjahresplans von 2016 nicht erreicht wurden und machte dafür vor allem die Sanktionen der USA und des UN-Sicherheitsrates, die klimatisch bedingten Überschwemmungen und Dürren sowie die Covid-19-Pandemie verantwortlich.

Zwischen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und den militärischen Aufrüstungsambitionen Nordkoreas klafft folglich eine deutliche Lücke. Das dürfte sicherlich auch ein Grund dafür sein, warum Kim Jong-un die Tür für Verhandlungen mit einer neuen US-Regierung offen lässt. Vor einer möglichen Abrüstung will Pjöngjang zunächst die Beziehungen zu den USA normalisieren, während Washington die Denuklearisierung als Voraussetzung für eine Normalisierung der Beziehungen betrachtet. Offen bleibt, ob Kim Jong-un seine Verhandlungsposition gegenüber der US-Regierung durch neue erfolgreiche Tests von Raketen und Nuklearsprengkörpern stärken wird. Die nordkoreanische Reaktion auf das nächste gemeinsame Manöver zwischen den USA und Südkorea, das als Stabsrahmenübung für März 2021 geplant ist, könnte darüber Aufschluss geben.

Biden sucht einen neuen Ansatz

Biden und seine sicherheitspolitischen Berater haben Trump im Wahlkampf hart dafür kritisiert, dass er sich mehrmals mit Kim Jong-un direkt getroffen habe, ohne dass dabei für die Denuklearisierung Nordkoreas etwas handfestes herausgekommen sei. Sie haben deshalb klargestellt, dass es mit dem neuen US-Präsidenten Biden nur ein Treffen auf Basis verbindlicher Abmachungen geben werde. Nach seiner Amtseinführung hat Biden in seinen ersten Telefongesprächen mit dem japanischen Ministerpräsidenten und dem südkoreanischen Präsidenten zugesichert, dass die USA auch weiterhin am Ziel der vollständigen verifizierten Denuklearisierung Nordkoreas festhalten werden. Auch der neue US-Außenminister Blinken wies bei seiner Anhörung im US-Senat darauf hin, dass die neue US-Regierung eine Überprüfung der bisherigen Nordkoreapolitik plant und erst dann ihre neue Nordkoreapolitik festlegen will. Dazu können sowohl zuvor mit den Allianzpartnern abgestimmte verschärfte Sanktionen als auch diplomatische Anreize gehören.

Dabei hat die neue US-Regierung offengelassen, ob es sich an die frühere Zusicherung Trumps an Nordkorea, auf bilaterale Großmanöver mit Südkorea zu verzichten, auch weiterhin halten wird. Damit will man Nordkorea wohl vor neuen Nuklear- und weitreichenden Raketentests abschrecken. Die neue designierte UN-Botschafterin der USA, Linda Thomas-Greenfield, will zudem neben den Allianzpartnern Südkorea und Japan auch China und Russland stärker an der Denuklearisierung Nordkoreas beteiligen und damit diesen Prozess wieder stärker multilateralisieren.

Noch ist aber auch hier offen, in welchem Umfang dies geschehen soll. Angesichts der sonstigen Konfliktpunkte, etwa im wirtschaftlichen Bereich, mit Blick auf Menschenrechte oder den militärischen Wettbewerb der USA mit Russland und China ist dieses Vorhaben alles andere als einfach. Immerhin wurde der US-Botschafter auf den Philippinen, Sung Kim, nach Washington zurückberufen, um dort an einer neuen Strategie zur Denuklearisierung Nordkoreas mitzuarbeiten. Sung Kim hat in der Vergangenheit die bilateralen Gipfel zwischen Trump und Kim Jong-un wesentlich vorbereitet. Die neue US-Regierung signalisiert damit Nordkorea, dass bilaterale Gipfeltreffen weiterhin möglich sind. Angesichts der zuvor beschriebenen komplexen Problemlage ist vermutlich ab Mitte diesen Jahres mit der Ankündigung einer neuen Nordkoreapolitik der US-Regierung zu rechnen.

Südkorea will schnelle Fortschritte

Die Interessenlage Seouls ist seit der Panmunjom-Erklärung von 2018 klar: Zum einen will man die bilateralen Beziehungen zum Norden verbessern und zweitens schnelle Fortschritte bei seiner Denuklearisierung erzielen. Zugleich versucht Südkorea durch ein massives Aufrüstungsprogramm seinen konventionellen militärischen Vorteil als Gegengewicht zur nuklearen Aufrüstung Nordkoreas zu erhalten und auszubauen. Die Hoffnungen der südkoreanischen Regierung unter Präsident Moon Jai-in, dass Kim Jong-un aus wirtschaftlichen und auch aus gesundheitlichen Gründen erneut die Kooperation mit dem Süden sucht, haben sich bisher nicht erfüllt. Im Gegenteil, denn in Nordkorea wird die massive konventionelle Aufrüstung Südkoreas als zusätzlicher Grund für die Verweigerung der bilateralen Kooperation genannt. Seoul fordert zudem, dass die neue US-Regierung an der Erklärung des Gipfeltreffens in Singapur 2018 und den bisher erreichten Fortschritten (keine Nuklear- und Raketentests Nordkoreas, im Gegenzug der Verzicht auf gemeinsame Großmanöver der USA und Südkorea) der früheren Trump-Regierung festhält. Außerdem hat Südkorea großes Interesse an einem baldigen Einfrieren der nordkoreanischen Nuklear- und Raketenprogramme und wäre bereit, dafür die Sanktionen gegen Nordkorea zu lockern.

Mit Blick auf China hat Seoul aufgrund seiner großen wirtschaftlichen Abhängigkeit von Beijing, ähnlich wie Japan, ein großes Interesse daran, dass der chinesisch-amerikanische Handels- und Machtkonflikt nicht weiter eskaliert. Der chinesische Präsident Xi sicherte Moon etwas überraschend im jüngsten Telefongespräch seine Unterstützung für die weitere Denuklearisierung Nordkoreas zu. Damit signalisiert China zum einen seine Bereitschaft, sich stärker zu engagieren. Andererseits lässt sich darin auch die Hoffnung erkennen, die übrigen Konflikte mit Washington mit Seouls Unterstützung womöglich etwas entspannter regeln zu können. Den Multilateralisierungsabsichten der neuen Biden-Regierung mit einer stärkeren Einbindung Chinas könnte dies entgegenkommen.

Allgemein wächst der Druck auf die USA, China, Russland und Nordkorea, in der Nuklearfrage endlich Fortschritte zu erreichen, denn in Südkorea und in Japan nimmt  in konservativen Kreisen die Diskussion um eine nukleare Bewaffnung zu, sollten Nordkorea und China weiter atomar aufrüsten und gleichzeitig die amerikanischen Sicherheitsgarantien weiter an Wert verlieren. Biden darf die Denuklearisierung Nordkoreas daher nicht auf die lange Bank schieben.

Was tun?

Es ist zu begrüßen, dass Biden am Ziel der vollständigen verifizierten Denuklearisierung Nordkoreas festhält. Eine schnelle Realisierung dieses Ziels ist aber angesichts der nordkoreanischen nuklearen Aufrüstung immer unwahrscheinlicher. Vor diesem Hintergrund bedarf es der Formulierung von Zwischenschritten zu diesem Ziel, bei denen es zunächst eher um Begrenzungen und ein Einfrieren des nordkoreanischen Nuklearprogramms geht, bevor überhaupt an Abrüstung zu denken ist.

Die Ziele, die dabei von den jeweiligen Parteien verfolgt werden, sind nur schwer miteinander zu vereinbaren. Nordkorea will vor einer möglichen Denuklearisierung zunächst die Beziehungen normalisieren und die Sanktionen abbauen, während die USA die Denuklearisierung vor der Normalisierung und dem Abbau von Sanktionen sieht. Russland und China könnten in diesen Verhandlungen eine wichtige Vermittlerrolle für notwendige Kompromisse übernehmen. In der Vergangenheit waren nordkoreanische Zugeständnisse immer dann zu erwarten, wenn alle übrigen Verhandlungsmächte geeint gegenüber Pjöngjang auftraten. Das setzt aber auch voraus, dass die USA, China und Russland künftig ihren verschärften Macht- und Konkurrenzkampf vernünftiger als bisher gestalten. Zudem bedarf es einer neuen Doppelstrategie gegenüber Nordkorea mit verschärften Sanktionsdrohungen einerseits und vernünftigen Anreizen andererseits. Man darf daher gespannt sein, wie die neue US-Regierung diese komplexen Anforderungen bis zum Sommer in Form eines neuen Politikkonzepts verwirklichen will.

Hans-Joachim Schmidt
Dr. Hans-Joachim Schmidt ist Assoziierter Forscher am Programmbereich „Internationale Politik“ der HSFK, wo er von 1982-2017 als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Programmbereich Internationale Sicherheit tätig war. Seine Forschungsschwerpunkte sind Nordkorea und konventionelle Rüstungskontrolle in Europa. // Dr Hans-Joachim Schmidt is an Associate Fellow at PRIF's Research Department “International Politics”, where he was a Senior Researcher at the research department International Security from 1982-2017. His research focuses on North Korea and conventional arms control in Europe. | Twitter: @HajoSchm

Hans-Joachim Schmidt

Dr. Hans-Joachim Schmidt ist Assoziierter Forscher am Programmbereich „Internationale Politik“ der HSFK, wo er von 1982-2017 als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Programmbereich Internationale Sicherheit tätig war. Seine Forschungsschwerpunkte sind Nordkorea und konventionelle Rüstungskontrolle in Europa. // Dr Hans-Joachim Schmidt is an Associate Fellow at PRIF's Research Department “International Politics”, where he was a Senior Researcher at the research department International Security from 1982-2017. His research focuses on North Korea and conventional arms control in Europe. | Twitter: @HajoSchm

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