Immer häufiger ist bei ExtremistInnen die Rede von einer „Online-Radikalisierung“: Das Internet wird immer wieder als wichtiger Faktor in Radikalisierungsprozessen genannt. Dennoch ist über die Interaktion zwischen virtueller und realer Welt und die Wirkung von Online-Kommunikation in Radikalisierungsprozessen wenig bekannt. Dieser Beitrag beleuchtet kurz wesentliche Erkenntnisse hierzu und stellt auf Basis erster Erkenntnisse aus unserer Forschung drei Thesen zum Stellenwert von Online- und Offline-Faktoren in Radikalisierungsprozessen auf.
Kategorie: Serien/Reihen
Germany’s Pluralistic Society and its Contested Religious Heritage
A new homeland ministry, further debates on Islam and Germany, new places for crucifixes in public buildings – all these political acts show that exclusive identity constructions are perceived as a way to be electorally successful. But they also blur the boundary between politics and almost satirical symbolism-oriented acts. The current politics are part of a political communication that seems to add fuel to the ongoing sociopolitical debate on religious and cultural diversity. However, in a pluralistic country like Germany, a calm and thoughtful political communication is required to increase societal cohesion and not let a presumed heritage determine the shared values of our society.

Funktionsweise und Wirkung von Ansätzen der Extremismusprävention
Mit jedem neuen terroristischen Anschlag stellt sich der Öffentlichkeit aufs Neue die Frage nach den sichtbaren Erfolgen der Extremismusprävention. Kritische Beobachter sehen in der weiterhin hohen Anzahl von Salafisten und islamistischen Gefährdern (mittlerweile auch Gefährderinnen) jetzt schon ein Anzeichen für das Scheitern von Prävention und Integration. Es besteht die Gefahr, dass sich dieser Eindruck noch verstärkt, wenn die wissenschaftliche Begleitung von Programmen der Extremismusprävention Fragen nach deren Wirksamkeit weiterhin vermeidet. Das Ergebnis wäre eine ideologisch aufgeladene öffentliche Diskussion über den Sinn und Zweck der staatlich geförderten Prävention von Radikalisierung und Extremismus. Wenn in einem solchen Meinungsklima Fachleuten aufgrund mangelnder Forschungserkenntnisse die passenden Argumente fehlen, werden sich in Zukunft populistische Vorstellungen über den Umgang mit Extremisten leichter durchsetzen können.

„Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“? Sicherheitspolitisches vs. pädagogisches Handeln in der Extremismusprävention
Im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern wird die Praxis der Extremismusprävention und Deradikalisierung in Deutschland von staatlichen und zivilgesellschaftlichen Akteuren gemeinsam umgesetzt. Der Schwerpunkt zivilgesellschaftlicher Aktivitäten liegt dabei überwiegend in der pädagogischen Arbeit. Zivilgesellschaftliche Träger nehmen in Deutschland eine vergleichsweise herausragende Stellung ein und sind fester Bestandteil der Strategie zur Extremismusbekämpfung. Nichtsdestotrotz wird die konkrete Arbeit der Extremismusprävention von den Sicherheitsbehörden zuallererst als Teilaspekt einer breiter angelegten Sicherheitspolitik angesehen. Effektive und nachhaltige pädagogische Arbeit wird meist als zweitrangig betrachtet und dem sicherheitsbehördlichen Blickwinkel untergeordnet. Eine solch kurzsichtige Strategie schürt Misstrauen und kann langfristig die Integrität deutscher Extremismusprävention und Deradikalisierung gefährden.

Radikalisierung der Gesellschaft? Ein Streitgespräch
Obwohl in der Debatte nach dem „Wie“ und „Warum“ von Radikalisierungsprozessen Individuen und Gruppen im Vordergrund stehen, wird auch die gesellschaftliche Ebene adressiert. Wenig Wunder, stellt Radikalisierung – gleich ob politisch oder religiös begründet –nicht nur den Staat, sondern auch das jeweilige Gesellschaftmodell in Frage. Es gibt inzwischen Stimmen, die von Deutschland als einer „radikalisierten Gesellschaft“ sprechen. Andere wiederum weisen die Rede von einer Radikalisierung der Gesellschaft als alarmistisch zurück. Ob sich Gesellschaften radikalisieren können und wie es um Deutschland bestellt ist, diskutieren der Soziologe Christian Joppke und der Soziologe und Sozialforscher Oliver Decker. Die Fragen stellten Magdalena von Drachenfels und Eva Herschinger.

Gemeinsame Elemente in den Ideologien von RechtsextremistInnen und IslamistInnen
Die Phänomene Rechtsextremismus und Islamismus erscheinen zunächst gegensätzlich. Zwar finden sich mit Blick auf Ideologien viele Gemeinsamkeiten. Historisch sowie in der eigenen Rechtfertigung von Gewalt gibt es jedoch auch Grenzen der Vergleichbarkeit; eine Differenzierung der Phänomenbereiche ist notwendig. Während Rechtsextreme mit dem Überleben der Rasse oder der Nation argumentieren, rechtfertigen Islamisten sich mit ihrer Interpretation des „Willen Gottes.“ Die Narrative nehmen auch Bezug aufeinander, verstärken sich reziprok und bestätigen ihre jeweiligen Weltanschauungen. Solche gemeinsamen funktionalen Elemente oder Brückennarrative wie sie David Meiering im vorangegangenen Blogbeitrag bespricht, können für die Präventions- und Deradikalisierungsarbeit relevant sein, da sie Ansätze des Dialogs beeinflussen und als best practices genutzt werden können.
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Irritierende ideologische Gemeinsamkeiten: Warum wir von Brücken-Dispositiven sprechen sollten
Im April 2018 wurde eine Razzia gegen die Gruppe „Nordadler“ durchgeführt. Diese war bewaffnet und plante eine völkische Siedlung. Dazu gehörten auch der selbsternannte „Nationalsozialist“ Wladislaw S., der wegen Beihilfe zur Planung eines terroristischen Anschlags 2017 verurteilt wurde – allerdings in einem Islamistenprozess – sowie der Neo-Nazi Sascha L., der später zum Islam konvertierte und im Namen des sogenannten Islamischen Staats (IS) Sprengstoffanschläge vorbereitete. Beide Männer teilten einen aggressiven Antisemitismus. Derartige Übertritte von der einen zur anderen (feindlichen) Gruppe mögen als Sonderfälle erscheinen, zeugen aber von funktionalen Ähnlichkeiten bestimmter ideologischer Elemente, die anhand des Konzepts der Brücken-Dispositive am besten analysiert werden können.

Weder übertreiben noch ignorieren: Religion in der praktischen Deradikalisierung und Extremismusprävention
Religion ist kompliziert: Besonders im öffentlichen Diskurs wird „dem Islam“ häufig ein inhärenter Hang zu religiös begründeter Gewalt und Terrorismus unterstellt. In der wissenschaftlichen Debatte jedoch ist der tatsächliche Einfluss von Ideologien, und als solche muss eine politisierte Form von z.B. Islam verstanden werden, auf (De-)Radikalisierungsprozesse durchaus umstritten. Bisweilen wird sogar der Ausschluss von Religion aus Präventions- und besonders Deradikalisierungsmaßnahmen gefordert. Die Erfahrungen der Praxis sprechen allerdings für einen Einbezug von Religion in die Extremismusprävention, ohne ihren Stellenwert zu überhöhen.

Radikalisierung in der Migrationsgesellschaft – Wo liegen die Ursachen ethnisch-nationalistischer Mobilmachung?
Begriffe wie Rassismus, Nationalismus, Ethnizität und Kulturalisierung haben in den Diskussionen der letzten fünf Jahrzehnte um die Migrationsthematik in der Einwanderungsgesellschaft immer wieder neue Konjunktur erfahren. Ob im wissenschaftlichen Kontext oder in der (politischen) Praxis, in den Medien oder im gesellschaftlichen Alltag, über diese Begriffe werden wichtige Debatten zur Einwanderungsgesellschaft geführt. Allerdings haben diese Diskussionen auch den Weg für kontroverse Auseinandersetzungen geebnet und damit auch ethnisch-nationalistische Einstellungen und Mobilisierungsformen gestärkt. Worin liegen die Motive und Faktoren für diese Entwicklung?

Alle krank? Die Psycho(patho)logie individueller Radikalisierung
Radikalität im Denken und Handeln tritt in vielen gesellschaftlichen Bereichen auf – bei Sport- und Ernährungsgewohnheiten ebenso wie bei politischen und religiösen Überzeugungen. Doch AusdauersportlerInnen oder Menschen mit veganem Lebensstil würden sicher die wenigsten als „krank“ bezeichnen, während islamistische oder rechtsextreme Radikalisierungsprozesse selten ohne entsprechende Zuschreibungen auskommen. Psychologisch betrachtet handelt es sich allerdings um ähnliche Vorgänge, solange Radikalität als natürliches Ergebnis eines Radikalisierungsprozesses verstanden wird. In allen Fällen wird dabei eine (zu) einfache Pathologisierung weder der Komplexität von Radikalisierungsprozessen noch der gesellschaftlichen Verantwortung im Umgang mit radikalen Einstellungen gerecht – und zwar unabhängig davon, ob diese nun eine Gewaltbereitschaft beinhalten oder nicht.