Im Jahr 2023 wurden laut Global Witness weltweit mindestens 196 Land- und Umweltaktivist*innen umgebracht, Front Line Defenders zufolge insgesamt 300 Personen, die sich für Menschenrechte einsetzen. Die Forschung zu dieser tödlichen Gewalt gegen friedlichen Aktivismus steckt noch in den Kinderschuhen. Was wissen wir über Charakteristika, Muster und Ursachen? Und was folgt daraus für die europäische und deutsche Politik?
Author: Jonas Wolff
Von der Insel des Friedens zum Kriegszustand: Hintergründe der Gewalteskalation in Ecuador
Ecuador hat in den vergangenen Jahren eine beispiellose Eskalation krimineller Gewalt erlebt. Im Jahr 2023 wies der südamerikanische Andenstaat die höchste Homizidrate Lateinamerikas auf. Als die Gewalt im Januar 2024 erneut eskalierte, rief der neuge-wählte Präsident Daniel Noboa den Kriegszustand aus und erklärte 22 kriminelle Ban-den zu terroristischen Gruppen. In diesem Blogartikel, der auf einem gleichnamigen TraCe Policy Brief basiert, identifizieren wir zentrale Ursachen der Gewalteskalation. Abschließend diskutieren wir, was politisch aus dieser Ursachenanalyse folgt.
Reintegration durch lokale Interaktion: Der kolumbianische Friedensprozess aus Sicht ländlicher Gemeinschaften
Ein zentrales Element des kolumbianischen Friedensprozesses mit der FARC-Guerilla bildet die kollektive Wiedereingliederung der ehemaligen Kombattant:innen in eigens dafür eingerichteten „territorialen Reinkorporationsräumen“. Eine Umfrage in sieben ländlichen Gemeinden deutet darauf hin, dass dieser Reinkorporationsprozess zu einem erkennbaren Abbau von sozialer Distanz und Misstrauen in der lokalen Bevölkerung geführt hat und so zur Wiederherstellung des sozialen Zusammenhalts beiträgt. Diese Erfolge sind allerdings begrenzt und – angesichts der andauernden Gewalt in den marginalisierten Regionen Kolumbiens – teils akut gefährdet.
Debating Foreign Interference in a Multipolar World: Is the EU Becoming Illiberal?
The ways in which foreign interference by China, Russia and others are currently discussed in Brussels indicate that the EU is considering moving away from liberal principles in the area of international civil society support and the foreign funding of NGOs in particular. Based on a co-authored comment in the Heidelberg Journal of International Law, this blog post argues that it is helpful to read the current EU debate on foreign interference in the light of the ongoing, conflict-ridden transformation of the global order.
Nicht darüber reden ist auch keine Lösung: Die Rolle von Autokratie und Demokratie in der Nationalen Sicherheitsstrategie
Mit dem Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine wurde das Narrativ eines globalen Wettstreits zwischen Demokratien und Autokratien wiederbelebt, das bereits im Zuge des Aufstiegs Chinas an Bedeutung gewonnen hatte. Im März 2022 hatte auch Außenministerin Annalena Baerbock noch von einem „Bündnis von liberalen Demokratien weltweit“ gesprochen, das es gegen die Diktaturen dieser Welt zu schließen gelte. Etwas mehr als ein Jahr später hat die Bundesregierung nun ihre Nationale Sicherheitsstrategie veröffentlicht, in der vom Zwei-Lager-Denken nichts mehr zu finden ist. Diese positive Entwicklung wird jedoch konterkariert von einem weitgehenden Schweigen zu Fragen von Stabilität und Sicherheit, die sich im Umgang mit unterschiedlichen Regimetypen stellen – was auch keine Lösung ist, wie wir im Folgenden argumentieren.
Inklusion statt Systemkonkurrenz
Im UN-Kontext wäre es kontraproduktiv, einen globalen Konflikt zwischen Demokratien und Autokratien zu forcieren, argumentieren Pascal Abb, Hanna Pfeifer und Jonas Wolff in einem Standpunkt für die Zeitschrift Vereinte Nationen.
Responding to Foreign Interference in the EU: Beware of Unintended Consequences
The EU’s emerging response to foreign interference, as it is currently debated in the EU Parliament, contains striking similarities to arguments put forth by some governments around the world seeking to justify harsh restrictions on foreign funding and “foreign agents.” This risks producing serious ramifications for civic spaces and international civil society support—both within and beyond the EU.
The Reconstitution of Liberal Hegemony in Comparative Regime Research: V-Dem’s Discursive Turn from the Contestation to the Decontestation of Democracy
Within just a few years, the Varieties of Democracy (V-Dem) project has experienced a remarkable rise to both academic and political prominence. As I show in a paper that was just published open access with Contemporary Politics, this rise has been accompanied by a notable discursive shift: Having started as a project aimed at taking seriously the essential conceptual contestability of democracy, in recent years V-Dem has adopted an increasingly narrow and taken-for-granted focus on liberal democracy. This turn from the contestation to the decontestation of democracy, which responds to the perception of serious threats to democracy in general and liberal norms in particular, is not only remarkable in and of itself. In the face of the current crisis of democracy, it is also deeply problematic as it contributes to downplaying the inherent limitations of liberal democracy. The following contribution presents and summarizes the main arguments from the paper.
Gemeinsam gegen die bösen Autokratien? Zu den Fallstricken demokratischer Allianzbildung als Pfeiler einer zukünftigen deutschen Sicherheitsstrategie
In Reaktion auf den Aufstieg Chinas und das zunehmend selbstbewusste Auftreten autoritär verfasster Staaten hat sich auch im deutschen außenpolitischen Diskurs das Bild eines neuen „Systemwettbewerbs“ verfestigt. Die Vorstellung, dass sich die Demokratien dieser Welt im Angesicht bedrohlicher Autokratien zusammenschließen müssen, hat durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine weiter Nahrung erhalten. Die Bundesregierung wäre allerdings schlecht beraten, diese Idee einer Zweiteilung der Welt in gute Demokratien und schlechte Autokratien zur Grundlage ihrer Nationalen Sicherheitsstrategie zu machen.
Deutsche Demokratieförderpolitik. Ampelkoalition auf Kurswechsel?
Nimmt man die programmatische Rhetorik des Koalitionsvertrags ernst, deutet sich unter der neuen Bundesregierung eine Umorientierung der internationalen Demokratieförderpolitik Deutschlands an: vom traditionellen deutschen Ansatz, der durch Entwicklungsorientierung und das Selbstverständnis einer Zivilmacht geprägt war, in Richtung eines explizit politischen Zugangs, der Deutschland in einem internationalen Systemwettbewerb sieht, Demokratieförderung als primär außenpolitische Aufgabe definiert und auf die Unterstützung von Demokratien und Demokraten setzt.