Eine große Mehrheit der Deutschen lehnt Rüstungsexporte in Kriegs- und Krisengebiete ab. Dennoch zeigt der Blick in die Geschichte, dass bislang alle an der Regierung beteiligten Parteien Exporte an problematische Drittstaaten wie Mexiko, Ägypten oder Saudi-Arabien genehmigt haben. Welche Pläne äußern die Parteien im aktuellen Wahlkampf für Rüstungsexporte – an Drittstatten, aber auch innerhalb der NATO und Europäischen Union? Dieser Blogbeitrag vergleicht die Positionen von CDU/CSU, SPD, FPD, Bündnis 90/Die Grünen, der Linken sowie der AfD.
Eine große Mehrheit der Deutschen lehnt Rüstungsexporte in Kriegs- und Krisengebiete ab. Dennoch zeigt der Blick in die Geschichte deutscher Rüstungsexportpolitik, dass alle Regierungsparteien Exporte an problematische Drittstaaten genehmigt haben. Mit oftmals schwerwiegenden Konsequenzen für die Zivilbevölkerung: So sind 2014 in Iguala/Mexiko Studierende bei Protesten mit Sturmgewehren von Heckler & Koch erschossen worden. Saudi-Arabien fliegt Luftangriffe im Jemen auch gegen zivile Ziele mit Tornados und Eurofighter, die aus europäischer Rüstungskooperation stammen und in denen auch Bauteile aus deutscher Produktion sind. Doch auch NATO-Verbündete können zum Problem werden. So verfügt die Türkei über deutsche Technologie in Gefechtsköpfen von türkischen Drohnen, die im Irak, in Syrien und auch in Bergkarabach im Krieg zwischen Armenien und Aserbaidschan zum Einsatz kamen.
Gerade diese rechtlichen Lücken wie den Technologietransfer, aber auch die Gründung von Tochterunternehmen deutscher Rüstungsfirmen im Ausland soll ein neues Rüstungsexportkontrollgesetz schließen, für das sich zahlreiche Bundestagsfraktionen aussprechen. Die europäische Rüstungskooperation bleibt für Deutschland wichtig. Dazu zählt aber auch die Frage, ob der Weg einer restriktiven Rüstungsexportkontrolle nicht auch über die Harmonisierung europäischer Rüstungsexportkontrolle laufen muss. In Deutschland gibt es inzwischen eine gut organisierte Zivilgesellschaft, die sich mit rechtlichen und politischen Fragen der Rüstungsexportkontrolle befasst. Mit diesen Aspekten beschäftigt sich auch dieser Blogbeitrag und blickt in die Wahlprogramme von CDU/CSU, SPD, FDP, Bündnis 90/Die Grünen, Die Linke und der AfD.
Wie restriktiv soll die deutsche Rüstungsexportpolitik sein?
In Deutschland gibt es eine Vielzahl von Gesetzen, Verordnungen und politischen Grundsätzen, die Rüstungsexporte regeln. Der damalige Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel hatte 2016 einen Konsultationsprozess angestoßen, um ein einheitliches Rüstungsexportkontrollgesetz auf den Weg zu bringen, der jedoch nicht zielführend war. Im Wahlkampf 2021 haben sich zahlreiche Parteien, nämlich die SPD, Bündnis 90/Die Grünen und die Linke erneut diesem Ziel verschrieben. Es stellt sich die Frage, wie restriktiv ein solches Gesetz ausfallen muss, um vor allem die Rüstungsexporte, aber auch Technologie- und Knowhow-Transfer einzuhegen.
Am restriktivsten formuliert die Linke in ihrem Wahlprogramm solche Forderungen. Ein künftiges Rüstungsexportkontrollgesetz soll das gesetzliche Verbot aller Rüstungsexporte beinhalten, also auch Exporte an EU- und NATO-Staaten. Die Partei will zudem alle Schlupflöcher beseitigen, so etwa die Verlagerung von Produktionsstandorten deutscher Firmen ins Ausland, für die dann die deutsche Gesetzgebung nicht mehr gilt.
Bündnis 90/Die Grünen fordert, den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern „an Diktaturen, menschenrechtsverachtende Regime und in Kriegsgebiete“ zu verbieten. Hierfür wollen sie ein neues Rüstungsexportkontrollgesetz ausarbeiten, in dem dieses Verbot verankert sein soll. Zudem sollen wirksame Endverbleibskontrollen entwickelt und ein Verbandsklagerecht verabschiedet werden. Dieses würde zivilgesellschaftlichen Organisationen ermöglichen, auf dem Klageweg gegen problematische Rüstungsexporte vorzugehen und wäre somit ein weiteres Element der Kontrolle von deutschen Rüstungsexporten. Wie auch die Linke wollen Bündnis 90/Die Grünen staatlich finanzierte Hermesbürgschaften zur Absicherung von privatwirtschaftlichen Rüstungsexporten verbieten.
Eine restriktive deutsche Rüstungsexportpolitik ist auch ein Anliegen der SPD. Rüstungsexporte an Drittstaaten sollen weiter eingeschränkt werden, die Kontrolle über den Endverbleib solcher Waffen im Ausnahmefall streng kontrolliert und öffentlich dokumentiert werden – all das wollen die Sozialdemokraten ebenfalls in einem Rüstungsexportkontrollgesetz verankert sehen.
Die FDP spricht sich in den Wahlprüfsteinen an die HSFK gegen deutsche Rüstungsexporte in Krisengebiete aus. In ihren Empfehlungen favorisiert sie jedoch eine harmonisierte europäische Rüstungsexportkontrolle. CDU/CSU und die AfD nehmen in ihren Wahlprogrammen keine Stellung zu restriktiveren Regeln oder einem im künftigen Bundestag auszuhandelnden Rüstungsexportkontrollgesetz.
Rüstungskooperation in Europa und eine gemeinschaftliche Rüstungsexportkontrolle
In der Europäischen Union (EU) hat sich die Rüstungskooperation zwischen den Mitgliedsstaaten in den vergangenen Jahrzehnten zunehmend intensiviert. Auch gibt es mit dem Gemeinsamen Standpunkt der EU zur Rüstungsexportkontrolle von 2008 acht Kriterien, die insbesondere Rüstungsexporte an Drittstaaten regulieren sollen. Dennoch gelangen Rüstungsexporte aus Gemeinschaftsproduktionen an problematische Staaten, wie etwa der Tornado und der Eurofighter nach Saudi-Arabien, wo sie dann für Luftangriffe im Jemenkrieg eingesetzt werden. Vor allem Frankreich hatte Deutschland nach der Verhängung des Exportmoratoriums gegen Saudi-Arabien in Folge des Mordes am Journalisten Jamal Khashoggi um Ausnahmen gedrängt – der Aachener Vertrag beinhaltet eine sogenannte de-minimis-Regel, die besagt, dass Frankreich bei Rüstungskooperationen mit einem Anteil von weniger als 20 Prozent deutscher Komponenten exportieren kann, es sei denn Deutschland macht schwerwiegende Sicherheitsinteressen geltend.
Die CDU/CSU sieht Rüstungsexporte als gestaltendes Element der Sicherheitspolitik und spricht sich für „einheitliche europäische Richtlinien“ aus. In Kooperation mit europäischen Partnern sollen gemeinsame Rüstungsprojekte auch mit Hilfe der Europäischen Rüstungsagentur und des Europäischen Verteidigungsfonds auf den Weg gebracht werden. Ziel dessen ist es, Kosten zu sparen und eine bessere Verteidigungsfähigkeit zu erlangen, gleichzeitig aber auch eine „leistungsfähige wehrtechnische Industrie“ in Deutschland zu erhalten. Für CDU/CSU war und ist der „deutsch-französische Motor“ zentral für die europäische Einigung – sichtbares Zeichen dieser besonderen Beziehung ist der Aachener Vertrag.
Die FDP bemängelt die „vielfach unterschiedlichen Standards“ und fordert, dass die EU in Sachen Rüstungsexportkontrollpolitik mit einheitlicher Stimme sprechen sollte. Die Harmonisierung der Rüstungsexportregeln soll über eine Rüstungsexportverordnung erreicht werden, die rechtsverbindlich für alle Mitgliedsstaaten ist und über die der bisherige EU-Standpunkt für Rüstungsexportkontrolle von 2008 weiterentwickelt wird.
Die SPD will mit den europäischen Partnern eine Verschärfung der EU-Rüstungsexportregeln abstimmen. Rüstungskooperation soll es mit Drittstaaten künftig nur noch dann geben, wenn diese Staaten, die weder der NATO noch der EU angehören, den internationalen Waffenhandelsvertrag (ATT) ratifiziert haben und auch konsequent umsetzen.
Auch Bündnis 90/Die Grünen sprechen sich für eine gemeinsame restriktive Rüstungsexportkontrolle der EU mit einklagbaren strengen Regeln und Sanktionsmöglichkeiten aus. Rüstungskooperationen mit anderen Staaten müssen stets an die Einhaltung „demokratischer, rechtsstaatlicher und menschenrechtlicher Kriterien“ geknüpft sein.
Die Linke lehnt spezielle Kooperationsregelungen, wie die mit Frankreich zur Erleichterung von Rüstungsexporten strikt ab, denn „über Umwege könnten so deutsche Waffen in die ganze Welt gelangen“. Europäische Rüstungskonzerne wie Airbus oder Rheinmetall müssten zudem gezwungen werden, „ihre Rüstungsproduktion für autoritäre Regime einzustellen“.
Und die Beteiligung der Zivilgesellschaft?
Zahlreiche Nicht-Regierungsorganisationen engagieren sich für eine restriktivere deutsche Rüstungsexportkontrollpolitik, so etwa die Kampagne „Aktion Aufschrei“, Greenpeace oder die Fachgruppe Rüstungsexporte der Gemeinsamen Kommission Kirche und Entwicklung (GKKE). Sie fordern stärkere Beteiligungsrechte, etwa in Form eines Verbandsklagerechtes, um strittige Exportentscheidungen künftiger Bundesregierungen vor Gericht zu klären.
Bündnis 90/Die Grünen wollen hierzu beispielsweise das Verbandsklagerecht in einem künftigen Rüstungsexportkontrollgesetz verankert sehen. Die Linke geht noch einen Schritt weiter: Sie wollen mit „gesellschaftlichen Partnern aus Gewerkschaften, Friedensbewegung und Kirchen Konversionsprogramme für die Beschäftigten der Rüstungsindustrie entwickeln, um neue, zivile Arbeitsplätze zu schaffen“. Die FDP fordert, künftige Entscheidungen über Rüstungsexporte auf eine bessere Wissensgrundlage zu stellen. Sie schlagen darum ein Forschungsprogramm zu Rüstungsexporten vor, dass außen- und sicherheitspolitische, volkswirtschaftliche und technologische Aspekte berücksichtigt.
Ausblick: Die Rüstungsexportpolitik nach der Bundestagswahl
Ob und wann ein Rüstungsexportkontrollgesetz nach der Bundestagswahl 2021 wirklich vom neuen Bundestag verabschiedet wird, bleibt abzuwarten und abhängig von den möglichen Regierungskoalitionen. Ein rigides Rüstungsexportkontrollgesetz sollte die Schlupflöcher in der deutschen Rüstungsexportpolitik, wie etwa in den Bereichen Technologie- und Knowhow-Transfer sowie zu Unternehmensbeteiligungen im Ausland schließen. Dennoch führt an einer restriktiven Rüstungsexportpolitik auch auf europäischer Ebene kein Weg vorbei. Die EU-Staaten sollten die für alle gleichermaßen gültigen acht Kriterien des Gemeinsamen Standpunktes der EU streng und einheitlich anwenden. Die neue Bundesregierung muss genau dies von den Partnerstaaten systematisch einfordern anstatt die eigenen Regeln aufzuweichen.