Mosambik steht vor den Parlaments-, Präsidentschafts- und Provinzwahlen im Oktober 2019. Die Schlagzeilen um die Regierung Nyusi, mit Korruptionsvorwürfen gegen den ehemaligen Finanzpräsidenten, sowie Meldungen von Repressionen gegenüber JournalistInnen und AktivistInnen mehren sich. Darüber hinaus stürzt eine Naturkatastrophe das Land aktuell in eine weitere Krise: Der Zyklon Idai hat bereits mehr als 700 Menschen das Leben gekostet, Hilfsgüter dringen aufgrund der instabilen politischen und sozialen Lage nur schleppend zu den Betroffenen vor, viele Menschen sind noch von der Außenwelt abgeschnitten oder obdachlos. Ob und wie es der Regierung in dieser Krise gelingt, politische und soziale Gräben zu überbrücken, wird auch bei den kommenden Wahlen eine Rolle spielen.
Vom Bürgerkrieg zum Friedensschluss – und zurück?
Anfang der 1990er Jahre galt das von einem langen Bürgerkrieg gezeichnete Mosambik als Vorzeigebeispiel für einen gelungenen Friedensschluss unter Beteiligung externer Akteure. Doch die seit der Unabhängigkeit des Landes 1975 regierende Partei FRELIMO hielt die Macht auch weiterhin fest im Griff, ganz nach dem Motto „The winner takes all“. In dem 17 Jahre unerbittlich geführten Bürgerkrieg zwischen FRELIMO und der von der damaligen weißen Minderheitspartei Rhodesiens (jetzt Zimbabwe) und dem damaligen Apartheitsregime Südafrikas unterstützten Guerillatruppe RENAMO (Resistência Nacional Moçambicana; die heutige Opposition) kamen geschätzt mehr als eine Million Menschen ums Leben. Als die Kämpfe 1992 beendet wurden legte das Friedensabkommen fest, ehemalige RENAMO-Kämpfer in die reguläre Armee zu integrieren und die ländlichen Gebiete zu entwickeln und zu befrieden. 1994 kam es zu den ersten freien Wahlen in der ehemaligen portugiesischen Kolonie – ein Zeichen für den Erfolg der Verhandlungsprozesse im Land, die eine neue Phase des Friedens einleiten sollten. Dann allerdings setzte die FRELIMO sich an den Wahlurnen durch und der Frieden blieb anhaltend labil.
Rückfall in bewaffnete Kämpfe
Seit 2013 wurden Kombattanten vom damaligen Parteichef der RENAMO Afonso Dhlakama mobilisiert, um die aktuelle Regierung erneut militärisch herauszufordern. RENAMO wirft der FRELMO u.a. vor, nur die Interessen des mosambikanischen Südens zu verfolgen und die politischen, ökonomischen und sozialen Interessen Zentral- und Nordmosambiks zu übergehen. Im Friedensschluss vereinbarte Forderungen seien nicht erfüllt worden. RENAMO fordert daher aktuell Autonomierechte über sechs Provinzen im Norden und im Zentrum Mosambiks, sowie 50 Prozent der Steuereinnahmen. Beides würde einen großen Machtgewinn für die RENAMO bedeuten, das Land aber nicht zu einem demokratischen Ausgleich führen. RENAMO erhofft sich von den gewaltsamen Auseinandersetzungen offenbar mehr Aufmerksamkeit für die Belange der eigenen Hochburgen, und damit mehr Stimmen bei den anstehenden Wahlen im Oktober.
Bereits vor fünf Jahren wurde ein temporärer Frieden geschlossen, der es RENAMO erlaubte, legal an den Wahlen 2014 teilzunehmen. FRELIMO gewann mit Nyusi als Kandidat für die Präsidentschaftswahl in fünf der elf Provinzen Mosambiks. RENAMO gewann mit Dhlakama als Präsident in drei Provinzen (darunter Sofala). Verglichen mit den Ergebnissen von 2009 kam es zu einem Anstieg der Stimmen für RENAMO und einem Verlust der Zustimmung zur FRELIMO. Die Zahl der parlamentarischen Vertreter der RENAMO im nationalen Parlament stieg dadurch von 51 (2009) auf 89 (2014). Auch damals machte die Opposition mit einer bewaffneten Propaganda von sich reden. Die Strategie scheint sich ausgezahlt zu haben – für ein Klima demokratischer Fairness sind dies aber keine guten Voraussetzungen.
Eine Krise nach der anderen
Nicht nur parteipolitisch kommt es zur Kollision zwischen den beiden Hauptakteuren im Land. Auch die soziale Frage erzeugt Konflikte, denn eine Politik der Repression durch Misswirtschaft und Vernachlässigung großer Bevölkerungsteile spaltet das Land.
2017 formierte sich eine kleine Protestbewegung im Norden des Landes. Hierbei stellten sich vor allem junge Männer gegen die Marginalisierung des Nordens, die sich durch die Präsenz ausländischer Ölkonzerne weiter verschärfte. Ausgangspunkt war, dass die neu entdeckten Ressourcen in der Gegend Hoffnungen weckten, die wirtschaftliche Entwicklung des Nordens voranzutreiben. Doch anstatt junge Erwachsene aus dem Raum Cabo Delgados einzustellen, holten die Ölkonzerne externe Arbeitnehmer ins Land. Die lokalen Proteste von 2017 blieben erfolglos, so dass die ‚angry young men‘ dazu übergingen, die Bevölkerung in Cabo Delgado und Arbeitnehmer der Ölkonzerne in der Region anzugreifen. Sie traten als Gruppe namens Al-Schabaab in Erscheinung, wobei es nach Angaben des Institute for Security Studies keinen Bezug zur Al-Schabaab aus Somalia zu geben scheint. Aus einem Bericht von Global Initiative, einem Netzwerk aus regionalen und globalen Experten, vom Oktober 2018 geht hervor, dass die frustrierende Situation junger Mosambikaner in der Region den Unmut schürt.
Während die Bevölkerung im Norden Mosambiks von der ökonomischen Entwicklung weitgehend ausgeschlossen bleibt, halten sich Korruptionsvorwürfe gegen die Regierung um Nyusi. Aufgrund illegal aufgenommener Staatsanleihen hat sich der Schuldenberg Mosambiks seit 2012 verdoppelt. Der ehemalige Finanzminister Manuel Chang steht in diesem Zusammenhang und nach einem Amtshilfeersuchen der Amerikaner in Johannesburg vor Gericht. Bereits 2016 wurde bekannt, dass unter der Präsidentschaft von Armando Guebuza (2004 bis 2014) von drei halbstaatlichen Unternehmen illegal Schulden in Höhe von zwei Milliarden US-Dollar aufgenommen wurden. Hiervon sollen drei Staatsbetriebe und ein Ministerium profitiert haben. Bis zu 200 Millionen US-Dollar aus diesen Krediten sollen als Schmiergelder an mosambikanische Offizielle zurück geflossen sein, so heißt es in der US-Anklageschrift, die den aktuellen Festnahmen zugrunde liegt. Was aus dem Geld geworden ist bleibt unbekannt, aber Mosambik als Staat wird es zurückzahlen müssen. Nyusi verspricht Aufklärung, aber wie steht es um die politische Stabilität im Land?
Unterdrückung als Mittel zum Machterhalt? Die Wahlen sind ein Prüfstein
Die Regierung hat auf die verschiedenen Konflikte, die aus Unzufriedenheit und schlecht geführter Regierung resultieren, mit Unterdrückung geantwortet. Seit Oktober 2018 haben Journalistinnen und Journalisten sowie zivilgesellschaftlich aktive Personen Morddrohungen und Drohanrufe erhalten, unter ihnen die Menschrechtsverteidigerin Fatima Mimbire. Ein Journalist in der Provinz Cabo Delgado wurde festgenommen. Unter dem Hashtag #FREEAMADE setzt Amnesty International sich für seine Freilassung ein. Er hatte unter anderem über die Angriffe von bewaffneten Gruppen wie Al-Schabaab auf Zivilisten in Cabo Delgado berichtet.
Weitere Repressionen bereiten Sorge: Am 8. März wollten in der Hauptstadt Maputo Frauen im Rahmen des Weltfrauentages für die Rechte junger Mosambikanerinnen demonstrieren. Die Demonstration wurde von der Regierung mit der Begründung verboten, sie würde Straßen blockieren, Staus verursachen und zu laut werden. Es ist absehbar, dass die Politik der Unterdrückung als Strategie, die hegemonialen Verhältnisse im Land aufrechtzuerhalten, weitere Konflikte hervorrufen wird. Schon bei den Kommunalwahlen im Oktober 2018 warfen Wahlbeobachter der aktuellen Regierung Manipulationen der Ergebnisse vor. Im Umfeld der Wahlen im Oktober 2019 lässt diese Konstellation neuerliche Gewaltkonflikte erwarten.
Die Notlage könnte die politischen Karten neu mischen
Seit Mitte März steht das Land im südlichen Afrika aufgrund der Zerstörung durch den Zyklon Idai im Rampenlicht der Medien. Über 90.000 Menschen wurden allein in der Zentralprovinz Sofala von den Fluten überrascht. Aufgrund der instabilen politischen sowie sozialen Lage im Land dringen Hilfsgüter sowie Gelder nur schleppend zu den Betroffenen vor. Die katastrophale Situation nach dem Zyklon zwingt die Regierung jetzt zum Handeln. Es sind die besonders vernachlässigten Quartiere, in denen Menschen am heftigsten getroffen wurden. Investitionen in den Küstenschutz, die Kanalisation und andere Infrastruktur, die im Katastrophenfall bedeutsam ist, erfolgten nach einer Flutkatastrophe im Jahr 2000 nur sehr spärlich und selektiv; internationale Hilfsgelder versickerten wohl zum nicht unerheblichen Teil in der Hauptstadt.
Die Regierung der FRELIMO muss nun zeigen, ob sie den politischen Willen zum aktiven Wiederaufbau auch in Landesteilen aufbringt, die Terrain der Opposition sind. Zu erwarten ist allerdings angesichts der Vorgeschichte eher, dass die regierenden Eliten keinen Kurswechsel vornehmen und sich die Konfrontation zwischen den Parteien noch verschärft. In den Wahlen im Oktober wird das einen Niederschlag finden. Trotz der Manipulationsvorwürfe spiegelte sich bei den Kommunalwahlen 2018 in den Wahlergebnissen schon eine Umbruchsstimmung: Die Wahlbeteiligung war hoch (60,3% 2014; 46% 2013) und die RENAMO konnte bereits bei den Kommunalwahlen 2018 in Regionen wie Cabo Delgado, die zuvor der FRELIMO zugeneigt waren, Stimmen gewinnen. Enttäuscht die Regierung auch in der aktuellen Notlage wieder die Erwartungen, sich im gesamten Land für eine Verbesserung der Lebensverhältnisse einzusetzen, wird dieser Trend sich vermutlich fortsetzen. Fraglich bleibt, ob sich FRELIMO nach Jahrzehnten an der Macht einfach abwählen lassen wird.