Für die, die mobil sein können, geht es weiter. Ganz anders sieht es für MigrantInnen aus, die mobil sein müssen. | Foto: Felicitas Hillmann

Eine Frage der Reichweite – zum Stellenwert von Migration und Mobilität in der Corona-Krise

In Zeiten von COVID-19 wird noch deutlicher, was sonst auch gilt: Migration ist unmittelbarer Teil räumlicher Definitionsmacht – für das Individuum und für staatliches Handeln. Immer deutlicher präsentieren sich deshalb auch die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie als Seismograph bereits vorhandener sozialräumlicher Ungleichheiten auf verschiedenen Maßstabsebenen (lokal, regional, national sowie trans- und subnational). Sichtbar werden diese Ungleichheiten zurzeit vor allem in den Städten, die in den letzten Jahren Treiber und zugleich Schauplatz veränderter Migrationsmuster und Mobilitäten waren.  Dort manifestieren sich die in Migrationsprozessen eingeschriebenen gesellschaftlichen Hierarchisierungen zwischen denen, die sich bewegen dürfen und können und denen, die sich bewegen müssen, am stärksten.

In einer ersten Phase der Corona-Krise waren außerhalb Chinas vor allem prosperierende Städte wie Mailand, Barcelona, Madrid, Paris und London besonders betroffen, weil sie die Exponenten dieser beschleunigten Mobilitätsmuster der letzten zwei Jahrzehnte waren – sie sind eingebunden in weltumspannende Mobilitätskorridore. Konträr dazu stehen die Entwicklungen in den Städten im Globalen Süden der Welt. Aller Voraussicht nach werden sie in einer zweiten Phase noch weit stärker unter der Pandemie leiden. Hier ist Mobilität für die Menschen eine unmittelbare Existenzgrundlage, und zwar geht es in der Regel um kleinräumige Binnenmigration, die schwer steuerbar ist.  In der Corona-Krise wird damit die Interaktion zwischen verschiedenen Stakeholdern, insbesondere die Kommunikation zwischen staatlichen Institutionen und der Zivilgesellschaft, zur Steuerung von Mobilität zum Zünglein an der Waage. Der Beitrag beleuchtet die Governance-Krise von Migration und Mobilität und konzentriert sich auf die Situation in den Städten. „Abgekapselte Mobile“ entpuppen sich als besondere Risikogruppe: am einen Ende des Mobilitätsspektrums befinden sich die Kreuzfahrttouristen in Quarantäne, am anderen Ende die tausenden MigrantInnen, die in Flüchtlingslagern verharren oder massenweise im Transit an den Grenzen festsitzen. Sie könnten zukünftig zu einem Gesundheitsrisiko für die Gesamtgesellschaft werden. Wie die Pandemie bewältigt werden kann, hat daher viel damit zu tun, welche Aufmerksamkeit wir diesem Aspekt der unterschiedlichen Migrationsmuster und -formen in unserer Krisen-Analyse schenken und welchen Stellenwert wir dem Umgang mit Migration und MigrantInnen in der Praxis dann zukommen lassen werden. Unsere Untersuchungen zum allgemeinen Umgang von Städten mit Migration am IRS zeigen, dass es je nach Stadt ganz unterschiedliche formelle und informelle Instrumente gibt, um mit migrationsbezogenen krisenhaften Situationen umzugehen und auf Ungleichheiten zu reagieren.

I: Große Reichweiten: Hochmobile verbreiten das Virus

Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass das Virus nicht von den vielen internen Migranten in die großen Städte verbreitet wurde, sondern durch die Hochmobilen, die ständig unterwegs sind, sei es als Touristen oder als Geschäftsreisende. Anders als bei SARS vor 17 Jahren erreichte das Virus in China vor allem pittoreske und touristisch attraktive Gegenden. Hochmobile könnten damit  die wichtigsten Überträger des Virus gewesen sein – so vermuten Qiuje Shi und Tao Liu von PEAK Urban (Oxford). Für diese These spricht, dass in Europa Mailand und Venedig Hotspots von Corona sind. Mailand und Umland sind die Wirtschaftsmetropole schlechthin, in der zugleich knapp ein Viertel aller 2019 in Italien gemeldeten Chinesen (ca. 300.000) lebt. Venedig ist der wichtigste Touristenhotspot in Norditalien und gerade die Touristen aus China sind eine wachsende Gruppe. Beides hat wenig mit der nationalen Herkunft zu tun, aber viel mit dem Grad des transnationalen Austausches, der zwischen den Ländern besteht. So sind von der Corona-Krise in dieser ersten Phase die Global Cities am stärksten betroffen.

Der intensive Austausch zwischen den globalen Metropolen wurde durch den Ausbau der Migrationsarchitektur (Hochgeschwindigkeitsverbindungen, Schiffsterminals und Flughäfen) vorangetrieben; internationale Mobilität war und ist wichtiger Teil der Leitbilder der städtischen Regenerierung (aus TOPOS 108: „Displacement“). Transnationale Verbindungen entstanden dort zusätzlich durch die gelebte Diversität der transnationalen Communities. Sie sind Geschäfts- und Touristenhochburgen, Ziele der Wissensindustrie zugleich und hier scheint zu gelten: je schneller die Städte getaktet sind, desto anfälliger sind sie für das Virus. New York City und London sind Spitzenreiter. Die StadtforscherInnen Shi und Liu von PEAK Urban (Oxford) weisen nach, dass in London gentrifizierte und florierende Gegenden wie Westminster, Lambeth, Kensington und Chelsea am stärksten von COVID-19-Fällen betroffen sind. Die Autoren führen dies auf die allgemein gestiegene Mobilität zurück, insbesondere dem etwa dem seit 15 Jahren um 137 Prozent angestiegenen Flugverkehr.

II: Kleine Reichweiten: Immobile müssen mit dem Virus umgehen

Abzusehen ist seit Ende Februar, dass sich die Infektionskrankheit COVID-19 in einer zweiten Phase schnell in den Städten des Globalen Südens ausbreiten wird und von dort aus in die ländlichen Gebiete überspringt. Man hat bislang nur Teileinsichten in diese Krisenverläufe. So berichtet das DIIS (Danish Institute for International Studies) über eine Verbreitung in Mogadischu, doch das Gesundheitsministerium hat keine Zahlen. Massenbegräbnisse in den letzten Tagen lassen jedoch das Schlimmste befürchten. Ganz Westafrika hatte am 17.04.2020 3.202 registrierte COVID-19-Fälle. Die Einbindung der lokalen Communities wird von der UN-affiliierten International Organisation for Migration (IOM) als einer der wichtigsten Faktoren zur Eindämmung von COVID-19 angesehen. In Sierra Leone behilft man sich gerade mit einem Song der von zurückgekehrten Migranten entworfen wurde, um die Ausbreitung des Virus in der Bevölkerung einzudämmen: „The virus is real“. Weitere Maßnahmen sprechen die mobile Bevölkerung direkt digital durch Nachrichten zum Virus über Whatsapp und Twitterkanäle an. (Mehr zur Corona-Krise auf dem afrikanischen Kontinent)

Internationale ExpertInnen der Entwicklungszusammenarbeit gehen schon seit Anfang März  davon aus, dass das Auftreten von COVID-19 in den armen Ländern die „wicked problems“ der Stadtplanung  – die ineinander verschachtelten und interdependenten Wirkungsgefüge – noch verschärfen wird. Die dortigen Planungssysteme sind auf eine solche massive Krise nicht eingestellt – auch weil viele humanitäre Organisationen erst seit einigen Jahren die Städte (und nicht den ländlichen Raum) im Visier ihrer Aktivitäten haben. Nicht einmal zu ‚Normalzeiten‘ gibt es daher ein Monitoring über das Ausmaß der informellen Siedlungen, geschweige denn einen Überblick über die Bewohnerstruktur und damit etwaige Hochrisikogebiete. Es gibt aber gemeinsame Merkmale der Stadtstruktur: In den überfüllten Stadtteilen gibt es keinen Platz für Straßen oder Durchfahrten. In den Städten Sub-Sahara-Afrikas hat sich zudem der Zugang zu Leitungswasser zwischen 1990 und 2015 verringert. Selbst dann, wenn die Infrastruktur in den Armutsgebieten vorhanden ist, können daher in Normalsituationen die von der WHO empfohlenen 50 Liter Wasser am Tag nicht bereitgestellt werden. Die Empfehlungen des Globalen Nordens, Händewaschen und Social Distancing, sind in den Marginalvierteln der Megacities praktisch nicht durchsetzbar. Auch eine 14-tägige Selbstquarantäne ist für die urban poor keine Option. Wenn jemand krank wird, pflegen Angehörige ihn oder sie und werden zu potentiellen Überträgern des Virus ist.

Der springende Punkt ist: In diesen Städten ist die kleinräumige Mobilität eine Grundbedingung der eigenen, individuellen Existenz. Jeder Versuch, diese Mobilität zu kontrollieren, wird noch unendlich viel schwieriger sein als in den Städten des globalen Nordens. Der Staat kann die öffentlichen Verkehrsmittel stilllegen, doch nicht die Menschen davon abhalten, sich auf den Märkten zu versorgen. Diesen Staaten fehlt zudem die Möglichkeit, ad hoc national finanzielle Notprogramme aufzulegen. Zu erwarten sind Aufstände, sobald sich die ökonomischen Bedingungen und der Gesundheitszustand der Menschen durch Mangelernährung verschlechtern.

Die Experten für Urbanisierung und Ernäherungssicherung  Eric Fèvre und Cecilia Tacoli vom IIED (International Institute for Environment and Development) befürchteten bereits Ende Februar, dass sich in dieser Krise in vielen Städten eine militarisierte Antwort auf COVID-19 durchsetzen könnte und ein Top-down Durchgriff an die Stelle der in den letzten Jahren  erprobten und nachhaltigeren Planungsansätze tritt.  Die herrschende Konfusion und Desinformation droht auch die in  den letzten Jahren gestarteten Netzwerke wie Shack/Slum Dwellers International (SDI), die gemeinsam mit den für die informellen Siedlungen zuständigen Behörden entwickelt wurden, wieder in sich zusammenfallen zu lassen. Andrerseits könnten bereits entwickelte digitale Tools wie das KnowYourCity data collection programme mit der Gesundheitsversorgung vernetzt werden. Effektive  Partnerships zwischen den Stakeholdern auf verschiedenen nationalen Ebenen sollten besser verzahnt werden, so fordern es die WissenschaftlerInnen, um  technische Unterstützung bereitzustellen und finanzielle Hilfen anzubieten, insbesondere die verschiedenen Netzwerke der Community-Leader sollten aktiv eingebunden werden. Kurz: Die WissenschaftlerInnen plädieren dafür, die bestehenden lokalen Ermächtigungsstrategien in den Städten in der Krise mutiger aufzugreifen anstelle eines befürchteten „Durchregierens“ von oben im Krisenmodus. Ein solches Durchregieren ist in Form von Zwangsquarantänen für städtische Armutssiedlungen unter Polizeiaufsicht in Äthiopien, Kenia, Liberia und Südafrika schon Realität – so Robert Muggah, der mit der WHO zur Kartierung von Pandemien zusammenarbeitete und Forschungsdirektor des Igarapé-Institutes in Rio de Janeiro ist.

III: Im Zwischenreich von Drinnen und Draußen: abgekapselte Mobile

Am Anfang der Corona-Krise gingen die Bilder eines Kreuzfahrtschiffes, das vor Fremantle südlich von Perth lagerte, durch die Medien. Nach zwei Wochen Quarantäne sticht das Schiff nun wieder in See. Für die, die mobil sein können, geht es also weiter. Ganz anders sieht es für die aus, die mobil sein müssen. Und hier trifft es den globalen Süden und Norden gleichermaßen: Jetzt schon festzustellen ist eine weitere Vulnerabilisierung von Migratinnen und Migranten. Sie sind besonders oft separiert von der Ankunftsgesellschaft untergebracht und werden so in zunehmend prekäre Situationen gezwungen. Die IOM befürchtet zum Beispiel, dass MigrantInnen und die Millionen Binnenvertriebenen in Lagern von COVID-19 noch stärker gefährdet sein werden als die Wohnbevölkerung in den Städten. Gestern meldete IOM den Ausbruch von COVID-19 bei 150 Personen im Übergangslager Porto Heli in Südgriechenland, obwohl nach dem Bekanntwerden des ersten Falles vorige Woche strenge Sicherheitsmaßnahmen eingeleitet wurden.  Diese internationalen Organisationen bereiten sich zurzeit mit Hilfsmaßnahmen  auf eine Verschlechterung der Lebenssituation dieser vulnerablen Gruppe vor, und zwar in den Herkunftsregionen und in den Ziel- bzw. Transitorten. In den Herkunftsregionen macht sich die Corona-Krise durch die fehlenden Rücküberweisungen der MigrantInnen im globalen Norden sofort bemerkbar. Millionen Familien in den großen Städten sind von diesen Überweisungen abhängig, um Nahrung zu kaufen, für Medikamente oder – im Falle von COVID-19 – für Masken und damit zum Schutze aller. Immer mehr Menschen müssen zudem im Transit verharren. Allein in Panama sitzen seit diesem Wochenende Tausende Migranten an den Grenzen zu den Ländern des Globalen Nordens fest, nachdem sie Monate unterwegs waren und entkräftet sind – ein Hochrisikogebiet entsteht. Die restriktiven Migrationspolitiken verschärfen die Krise, so IOM, auch dadurch, dass Migrationsbewegungen unterbrochen werden.

Olive Grove-Moria Camp auf Lesbos im Februar 2020 | Foto: © Febe Viviane

In unseren Forschungen zur Veränderung der Position der MigrantInnen im  transnationalen Raum Europas haben wir uns – angesichts eines fehlenden europäischen rechtlichen Rahmens und fehlender Kenntnisse auf Seiten der MigrantInnen über die europäischen demokratischen Systeme – mit der Bedeutsamkeit von soft power für die Governance von Migration in Europa beschäftigt. Wir richteten den Fokus auf die  von MigrantInnen im Transit nach Europa, weil wir verstehen wollten, wie sich diese Menschen überhaupt in einem rechtlich und institutionell fragmentiertem Europa und ohne legale Zugänge mit Ausnahme des Asyls und der Arbeit in ausgewählten Sektoren bewegen. Deutlich wurde: Je weniger klare Reglementierung besteht, desto stärker wirken im Migrationsprozess kulturelle Normen, Narrative, Mythen und Glaubenssysteme auf die eigene Handlungsweise ein. An verschiedenen Fallbeispielen konnten wir außerdem zeigen, dass für viele Migranten der einzige Weg aus der täglichen Krise noch mehr Mobilität war. Auffällig war zugleich, wie stark diese MigrantInnen untereinander, entlang ihrer Migrationsrouten und nach Hause digital vernetzt waren.

Für Europa könnte dies in der COVID-19-Krise zu einer zusätzlichen Verbreitung des Virus bedeuten. Denn Migrantinnen und Migranten sind dadurch, dass sie in den von der COVID-19-Krise am stärksten betroffenen prekären Sektoren arbeiten und oft keinen Zugang zu Gesundheitsversorgung und Sozialleistungen haben, vielerorts in Europas in einer besonders schwierigen Situation. Für Italien gibt es erste Beobachtungen und Studien, wie sich die Krise auswirkt. Trotz  der Corona-Krise bestehen die ausbeuterischen und von der Mafia kontrollierten Arbeitsbedingungen der migrantischen Feldarbeiter, auch capolarato genannt, einfach fort und werden so zu einer Gefahr für die Gesamtgesellschaft. Mitte März berichtete die Repubblica von 25 Landarbeitern, die in der Nähe von Terracina in einem Lieferwagen zusammengepfercht waren und für die keinerlei Sicherheitsvorkehrungen getroffen wurden.  Die Feldarbeiter leben in Süditalien in ghettoartigen Unterkünften unter miserablen hygienischen Bedingungen.

Einmal abgesehen von dem offensichtlichen Elend in den überfüllten Flüchtlingslagern auf den griechischen Inseln, wo sich die Krise durch die dort untereinander rivalisierenden vulnerablen Gruppen noch verschärfen wird, existieren aber auch  in Großstädten wie Rom seit Jahren segregierte Armutsgebiete, sogenannte Baraccopoli. Überwiegend werden sie von einzelnen ethnischen, mobilen Gruppen bewohnt. Die Ausgangsbeschränkungen führen in diesen Quartieren dazu, dass die Einwohner der Baraccopoli den Supermarkt in drei Kilometer Entfernung nicht mehr erreichen können. Es gibt nur rationiertes, kein fließend Wasser von der Kommune, keine Schutzmasken für alle. Die Kinder gehen nicht zur Schule und sind digital abgehängt, die Erwachsenen finden keine Arbeit außerhalb des Camps mehr und die Versorgung der Alten funktioniert kaum. Durch die jetzt fehlende Präsenz ehrenamtlicher Helfer werden die Baraccopoli bereits zum Ziel xenophober Angriffe und von Stigmatisierung (Stassola und Vitale, im Erscheinen). Auch hier könnte die abgekapselte Mobilität zu einer Gefahr für die Gesamtstadt werden. Die bestehenden Ambivalenzen im städtischen Umgang mit Migration schreiben sich also in dieser Krise fort. Vielfach gibt es in Italien kaum kodifizierte lokale Politiken, doch eben auch eine starke Zivilgesellschaft mit humanitären Aktionen, die in der Krise aktiv geworden sind und diese abfedern. Wie die MigrantInnen greifen auch die zivilgesellschaftlichen Akteure in der Krise noch stärker auf die zuvor bereits vorhandene digitale Vernetzung zurück.

IV Fazit

Erkennen lässt sich, dass Hochmobile zunächst das Virus verbreitet haben, Immobile bzw. solche mit einer kleinen Reichweite sich nun in einer nächsten Phase lokal auf engstem Raum irgendwie gegen das Virus abschirmen müssen. Die enormen Unterschiede zwischen denen, die wandern müssen und denen die dürfen,  diese Hierarchien innerhalb von Migration und Mobilität strukturierten  im Kontext der Globalisierung und Transnationalisierung der Städte neu. In der Krise präsentieren sie sich nun in einer neuen Qualität von  Ungleichheiten. Ein Lockdown, das Home Office, das Social Distancing, das alles sind Maßnahmen, die sich nur die digital geübte und mit einem funktionierenden Sozialstaat ausgestatteten und gut organisierten Stadtbewohner leisten können. Kreuzfahrttouristen setzen ihre Reise einfach fort. Doch in all den Städten und Orten, in denen Menschen mobil sein müssen, um zu überleben, birgt der Lockdown auch  die Gefahr einer Beschleunigung der Krise – für das Individuum, das sich nicht mehr bewegen kann und so in eine aussichtslose Situation geraten kann, das keinen Zugang zu Nahrung und Gesundheitsversorgung mehr hat, und für die Gemeinschaft, die Angst vor den „Abgekapselten“ entwickelt. Wo nun  durch die Krise auch die demokratisch stabilisierenden Bottom-up-Aktivitäten wegfallen und stattdessen Top-down durchregiert wird, sind mehr Spannungen zwischen einzelnen Gruppen oder sogar gewaltsame Aufstände zu befürchten – überall auf der Welt. Wer in einem Lager ausharren muss, ist dem Virus ausgeliefert. Deshalb sollte denen, die wandern müssen, denen mit kleiner Reichweite, in dieser Krise mehr Aufmerksamkeit in Forschung und Praxis zukommen: den Geflüchteten, Prekären und den Abgeschotteten. Aus Humanität, aber auch aus Selbstschutz: Sie könnten schnell zu einer Gefahr für die Gesamtgesellschaft werden. Gleichzeitig sollte man sich gut überlegen, wie man die digitalen Kompetenzen, die unter MigrantInnen und bei den zivilgesellschaftlichen Akteuren in den Städten oft besonders weit entwickelt sind, gezielter in die Krisenbekämpfung einbinden könnte.

Felicitas Hillmann

Felicitas Hillmann leitet die Forschungsabteilung „Regenerierung von Städten" am Leibniz-Institut für Raumbezogene Sozialforschung (IRS) und ist Professorin für das Fachgebiet „Transformation städticher Räume in internationalen Kontext" an der TU Berlin. Zu ihren Forschungsschwerpunkten gehören u.a. Stadtentwicklung, Migrations- und Mobilitätsforschung sowie Umweltwandel.

Felicitas Hillmann

Felicitas Hillmann leitet die Forschungsabteilung „Regenerierung von Städten" am Leibniz-Institut für Raumbezogene Sozialforschung (IRS) und ist Professorin für das Fachgebiet „Transformation städticher Räume in internationalen Kontext" an der TU Berlin. Zu ihren Forschungsschwerpunkten gehören u.a. Stadtentwicklung, Migrations- und Mobilitätsforschung sowie Umweltwandel.

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