Am 16. Juli hat der lang erwartete und vieldiskutierte Gipfel von Vladimir Putin und Donald Trump stattgefunden. Es war das erste bilaterale Aufeinandertreffen der beiden Präsidenten, die sich zuvor lediglich am Rande des G20- Gipfels in Hamburg sowie des APEC-Gipfels in Da Nang, Vietnam, begegnet waren. Die Liste möglicher Themen und Konfliktfelder, die dringend einer Abstimmung zwischen den beiden Großmächten bedurft hätten, ist lang: nukleares Wettrüsten, regionales Konfliktmanagement in Ukraine und Syrien, gegenseitige Vorwürfe der Einmischung in innere Angelegenheiten oder Fragen der Cybersicherheit. Doch was ist von dieser Agenda übriggeblieben?
Erwartungen vor dem Gipfel
In seiner üblichen großspurigen Manier hatte Donald Trump im Vorfeld nichts Geringeres als den großen Durchbruch in den US-amerikanisch-russischen Beziehungen angekündigt, etwas, was seine Vorgänger niemals geschafft hätten. Im Gegenteil: Ihnen machte er noch unmittelbar vor dem Gipfel zum Vorwurf, allein für die schlechten Beziehungen verantwortlich zu sein (und exkulpierte damit entgegen der bisherigen westlichen Lesart Russland vollständig).
Die amerikanische Öffentlichkeit war in ihren Prognosen weit zurückhaltender. Viele sahen den Gipfel als eine Aufwertung von Putins Regime oder befürchteten, dass Trump unerwartete einseitige Zugeständnisse machen könnte. Positiv wurde allenfalls verbucht, dass das persönliche Treffen die Eskalationsspirale im russisch-amerikanischen Verhältnis stoppen könnte. In Moskau überwog die Zurückhaltung[1], auch im Lichte des Operettengipfels von Singapur mit Kim Jong-un.
Außerhalb Moskaus und Washingtons wurde der Gipfel mit Spannung und meist mit Besorgnis erwartet. Es stand die Frage im Raum, inwieweit die beiden Präsidenten Entscheidungen über die Köpfe anderer Akteure treffen könnten – die dann mit den Konsequenzen leben müssten. Immerhin hat Trump wiederholt bewiesen, dass er nicht davor zurückschreckt, selbst langjährige Partner wie die NATO-Staaten vor den Kopf zu stoßen. Auch russische Verbündete wie der Iran oder das Assad-Regime schauten skeptisch nach Helsinki und befürchteten Kompromisse zwischen Russland und den USA auf ihre Kosten.
Viel Lärm um nichts
Gemessen an den aufgeregten Stimmen im Vorfeld blieb der Ertrag des Gipfels gering: außer Atmosphäre nichts gewesen. Nicht einmal eine gemeinsame Abschlusserklärung konnten beide Seiten vorweisen.
Bei der Pressekonferenz im Anschluss an das Treffen verlasen Putin wie Trump vorbereitete Statements, in denen die üblichen Konflikt- und möglichen Kooperationsfelder angesprochen wurden: nukleare Rüstungskontrolle und Nonproliferation, Bekämpfung des internationalen Terrorismus sowie das Konfliktmanagement in Syrien und der Ukraine. Ergebnisse blieben dazu ebenso aus wie neuere Erkenntnisse.
Konkret vorzuweisen blieb nur der allerkleinste gemeinsame Nenner: die Bildung einer Track-II-ExpertInnenkommission, die über die „Philosophie“ und die Zukunft der bilateralen Beziehungen beraten soll. Es mag angesichts ihrer Beratungsresistenz beiden entgangen sein, dass an solchen Kommissionen wahrlich kein Mangel herrscht. Ähnlich verhält es sich mit dem Vorschlag einer „High-Level Group“ der „Kapitäne“ der amerikanischen und russischen Wirtschaft. Außerdem wird auf einem ähnlich niedrigen Level VertreterInnen der beiden Nationalen Sicherheitsräte aufgetragen, sich für ein follow up zu treffen, um, so Trump wörtlich, „den Fortschritt fortzusetzen, den wir genau hier in Helsinki begonnen haben“.
Was bleibt, ist ein bemerkenswerter diplomatischer Erfolg für Moskau: Zum Paria des Westens degradiert, erhielt Putin eine vollständige protokollarische Rehabilitierung – Glückwünsche für die „exzellente“ Fußballweltmeisterschaft eingeschlossen. Man kann sich lebhaft die Dynamik des Vier-Augen-Gesprächs ausmalen, in dem Trump mangels elementarer Kenntnisse von Putin in vertrauter Manier mit allen möglichen und allzu oft irreführenden Details zugedeckt und am Nasenring durch die Weltläufte geführt wurde. Ähnlich die Dynamik auf der Pressekonferenz: In ihr trat ein selbstbewusster Putin als verfolgte Unschuld einem desorientierten Trump gegenüber, der um die Zuneigung seines Gesprächspartners buhlte und irgendwie dem massiven Druck ausweichen musste, unter dem seine Putin-Affinität daheim in Washington steht.
Entsprechend verheerend war das Echo daheim: Für CNN war es ein „surrender summit“, bei dem Trump auf der Pressekonferenz eine der „vielleicht beschämendsten Vorstellungen eines US-Präsidenten auf einem Gipfel im Beisein eines russischen Führers“ abgeliefert hatte. In der Tat, von den üblichen Vorhaltungen der USA an die Adresse des Kremls fand sich bei Trump buchstäblich nichts. Auch beim Leib-und-Magen-Thema des Washingtoner politischen Diskurses, der Moskauer Wahleinmischung, übte sich Trump in Äquidistanz: Seinem Vertrauen in die eigenen Geheimdienste stellte er das „extrem starke und überzeugende Dementi“ Putins gegenüber, verbunden mit einem Lob für den „sehr interessanten“ Vorschlag, auf Basis des Rechtshilfeabkommens von 1999 gemeinsam in der Sache zu ermitteln (bei Putin nach vertrautem Muster natürlich nur unter der Voraussetzung der Reziprozität).
Keine Fortschritte bei nuklearer Rüstungskontrolle und Regionalkonflikten
Nun gehört die Wahleinmischung zwar zu den US-Obsessionen mit desaströsen Folgen für die amerikanische Russlandpolitik, weltpolitisch von Belang ist an dieser Borniertheit allerdings nur, dass dies in einer nuklearen Supermacht ausgetragen wird. Viel wichtiger sind Themen wie die nukleare Rüstungskontrolle. Mit dem 2021 auslaufenden New-Start-Vertrag und der Krise des INF-Vertrags ist die nukleare Stabilität auch global bedroht (PDF). Doch in der gemeinsamen Pressekonferenz wurde dieses Feld in wenigen allgemeinen Floskeln abgehandelt; Vereinbarungen wurden nicht getroffen. Putin erwähnte lediglich, die russischen Vorstellungen in einem Memorandum vorgelegt zu haben.
Im Interview mit Fox News am selben Abend kam Vladimir Putin ausführlicher auf das Thema zu sprechen und betonte Russlands Bereitschaft, an neuen Abkommen mit den USA zu arbeiten. Jedoch verwies er auch auf die bestehenden Meinungsverschiedenheiten zwischen den beiden Ländern, so dass schnelle Fortschritte nicht zu erwarten sind.
Ähnlich beim Ukraine-Konflikt, zu dem Putin auf der Pressekonferenz unwidersprochen zum Besten gab, dass die USA doch bitte Kiew „nachdrücklicher“ zur Mitarbeit animieren sollten. Mehr gab es dazu nicht. Nicht anders bei Syrien, wo sich Putin in bewährter Vernebelungsmanier damit brüstete, im Südwesten des Landes gemeinsam mit Assad ein weiteres Terroristennest ausgebombt zu haben. Dabei handelte es sich allerdings um die 2017 gemeinsam mit den USA vereinbarte Deeskalationszone. Von Trump dazu kein Wort. Da wirkt es umso makabrer, wenn beide im Einklang über die humanitäre Katastrophe im Lande schwadronieren. Hier den Westen an Bord zu bekommen, ist im Übrigen mangels eigener Ressourcen schon lange ein Moskauer Thema.
Dass dem selbst erklärten Salesman Donald Trump darüber hinaus elementare ökonomische Kenntnisse abgehen, offenbarte sich bei seinen Auslassungen zu Nordstream 2, das er in „ziemlich starken Worten“ Angela Merkel habe ausreden wollen. Hier zeigte er sich optimistisch, mit dem US-Shale-Gas erfolgreich gegen das russische Pipeline-Gas antreten zu können – angesichts der Preisdifferenzen offenkundig ein Pipedream. Immerhin argumentierte er jetzt offen ökonomisch und nicht länger politisch. Es wird interessant sein zu sehen, ob tatsächlich von den USA gegen die beteiligten Unternehmen Sekundärsanktionen verhängt werden – um mit Verhinderung von Nordstream 2 jene Wettbewerbsbedingungen zu schaffen, die überhaupt erst einen Markteintritt der USA erlauben würden.
Aussichten getrübt
Nach seinem Treffen mit Putin verkündete Donald Trump, dass die Krise der US-amerikanisch-russischen Beziehungen nunmehr „seit vier Stunden vorbei“ sei. Das ist ein ähnlicher theatralischer Unfug wie seine Feststellung nach dem Singapur-Gipfel, dass die nukleare Bedrohung aus Nordkorea ein Ende gefunden habe.
Sicherlich erfüllte sich die russische Hoffnung auf einen öffentlichkeitswirksamen, selbstbewussten Auftritt. Das war es dann aber auch, Symbolpolitik statt Substanzpolitik.
Offen bleibt, ob auf diesen ersten Schritt weitere folgen und ob mehr vom ersten USA-Russland Gipfel bleibt, als (Selbst-)Inszenierung und Kaffeesatzleserei über Verspätungen beim Auftritt oder die Festigkeit des Händedrucks. Es ist zu hoffen. Es gibt genug wichtige Themen, in denen ohne die USA und Russland kein Fortschritt zu erwarten ist, auch wenn sich Russland in den letzten Jahren nicht gerade als ein konstruktiver Partner in der internationalen Arena präsentiert hat. Solange jedoch die Russlandpolitik der USA eine Geisel der amerikanischen Innenpolitik bleibt, von Trump auch in Helsinki wieder neu befeuert, sind allerdings Zweifel angebracht.