Zersplitterter Marmor
Der Angriff auf die Ukraine ist ein offener Bruch des Völkerrechts und eine machtpolitische Aggression gegen die bestehende Weltordnung. | Photo: Tom Barret auf Unsplash

Frieden am Ende? Die Eskalation im Russland-Ukraine-Konflikt und die Rolle der Friedenspolitik

Russland hat den Krieg begonnen. Der Angriff auf die Ukraine und die Anerkennung der „Volksrepubliken“ Donezk und Luhansk sind ein offener Bruch des Völkerrechts und eine machtpolitische Aggression gegen die bestehende Weltordnung. Die unmittelbaren Opfer sind die Menschen in der Ukraine. Die Kritik und Erbitterung des Westens ist groß. Ebenso die Enttäuschung über das Scheitern der eigenen Deeskalationsbemühungen. Ist mit dem Frieden auch die Friedens- und Sicherheitspolitik am Ende? Und mehr noch: War der Kurs der Vergangenheit, auf Diplomatie, Ausgleich und gemeinsame Sicherheit zu setzen verkehrt, wie jetzt von vielen behauptet wird?

Die Friedens- und Konfliktforschung hat in der gegenwärtigen Situation vor allem zwei Funktionen. Sie muss zum einen die aktuelle Entwicklung beobachten und auf Grundlage ihrer wissenschaftlichen Expertise reflektieren und kommentieren, d.h. politische, rechtliche und normative Beurteilungen abgeben und Handlungsoptionen aufweisen. Sie muss zum anderen aber auch, und vor allem, über die aktuellen Ereignisse hinaus die grundsätzlichen Probleme aufarbeiten und Konzepte entwickeln, wie Frieden und Sicherheit wiederhergestellt und langfristig garantiert werden können. Auch wenn es in der Erregung des Augenblicks illusorisch erscheinen mag, ist jetzt der Zeitpunkt, sich über die Schritte zu einer neuen Friedens- und Sicherheitsordnung in Europa Gedanken zu machen. Auch wenn gegenüber Russland jetzt eine harte Haltung notwendig ist, bleibt der Satz richtig: Wenn Du Frieden willst, musst Du den Frieden auch vorbereiten.

Wie ist Russlands Vorgehen völkerrechtlich zu bewerten?

Die politische Selbstbestimmung und die territoriale Integrität der Ukraine werden völkerrechtlich grundsätzlich durch das zwischenstaatliche Interventionsverbot und das zwischenstaatliche Gewaltverbot geschützt, die sowohl völkergewohnheitsrechtlich gelten als auch in der Charta der Vereinten Nationen vertraglich geregelt sind. Im Idealfall hätte das Zusammenspiel beider Rechtsnormen Russland daran gehindert, die politische Entscheidungsfreiheit der Ukraine durch Zwangsmittel zu beeinträchtigen. Die russische Regierung hat dieses System unterminiert und zugleich versucht, den Eindruck einer offenen Verletzung von Interventions- und Gewaltverbot zu vermeiden. Dazu gehört die russische Anerkennung der Unabhängigkeit von Donezk und Luhansk. Formal verstößt Russland damit dann gegen das zwischenstaatliche Interventionsverbot, wenn die Anerkennung vorzeitig erfolgt (ohne dass die „Regierungen“ dieser sogenannten „Volksrepubliken“ effektive Hoheitsgewalt ausüben) oder wenn sie sich auf Gebietsteile jenseits der „Kontaktlinie“ erstreckt, also Gebiete erfasst, die effektiv unter ukrainischer Hoheitsgewalt stehen. Mittlerweile hat Russland durch seine militärischen Maßnahmen gegen die Ukraine offen gegen das Gewaltverbot verstoßen. Russland hat sowohl das Interventions- als auch das Gewaltverbot durch das vom russischen Präsidenten aufgeführte „Völkerrechtsschauspiel“ schleichend geschwächt, ohne dass der Westen dem substanziell etwas entgegengesetzt hätte. Die mit fadenscheiniger Begründung gerechtfertigte völkerrechtswidrige Annexion der Krim und die völkerrechtswidrige Unterstützung der Regime von Donezk und Luhansk in einer Grauzone zwischen Interventions- und Gewaltverbot unterminieren die Wirkkraft des Friedenssicherungsrechts und erlauben Russland, den Westen vor sich herzutreiben. Der Westen hat diesem Spiel nicht nur zugesehen. Er hat es gutgläubig hingenommen und verfügt jetzt – in Ermangelung einer durch kraftvolles Handeln unterstützten klaren Sprache – nur noch über wenige Mittel, die regelbasierte Ordnung zum Schutz der politischen Unabhängigkeit und territorialen Integrität von Staaten zu erhalten oder wiederherzustellen.

Wie stichhaltig ist die russische Rechtfertigung?

Für seinen Militäreinsatz macht sich Russland zumindest rhetorisch Normen zu eigen, die vor allem von westlichen Staaten als Rechtfertigung von Interventionen geprägt wurden. Russlands Beschreibung der Krise als „Genozid“ an der russischstämmigen Bevölkerung der Ostukraine und die Bezeichnung des eigenen Einsatzes als „Peacekeeping-Mission“ greifen zwar oberflächlich etablierte Begriffe des internationalen politischen und rechtlichen Diskurses auf, verwenden sie aber in anderem Zusammenhang und in unangemessener Weise. Dabei wird auf angebliche „Präzedenzfälle“ verwiesen, die von westlichen Staaten vor allem im Rahmen der postjugoslawischen Bürgerkriege etabliert und damals noch von Russland klar abgelehnt wurden. Ähnlich hatte Russland bereits seine Intervention in Südossetien 2008 unter dem Mantel der Schutzverantwortung (responsibility to protect) betrieben und bei der Anerkennung seiner Unabhängigkeit auf die Parallele zur westlichen Politik gegenüber dem Kosovo verwiesen. Diese taktische Aneignung internationaler Normen kann das russische Vorgehen im Fall Ukraine aber keineswegs rechtfertigen. Allerdings sollten auch westliche Staaten bedenken, dass Ausnahmen vom Nichtinterventions- und Gewaltverbot, die sie selber in Anspruch genommen haben, von revisionistischen Staaten instrumentalisiert werden können.

Hat der Westen sein Versprechen, die NATO nicht auszudehnen, gebrochen?

Von russischer Seite wird der Konflikt um die Ukraine auf einen möglichen NATO-Beitritt des Landes zurückgeführt, wodurch der Westen des Bruchs eines vorangegangenen Versprechens bezichtigt wird, die NATO nicht nach Osten auszudehnen. Aber haben deutsche, amerikanische und andere Entscheidungsträger im Zusammenhang mit der deutschen Wiedervereinigung der damaligen Sowjetunion tatsächlich eine solche Zusage gemacht? Und haben sie Russland später mit der Revision dieser Entscheidung hintergangen? Diese Frage beschäftigt die politikwissenschaftliche und zeitgeschichtliche Forschung seit den 1990er Jahren; und sie ist auch im Diskurs über den aktuellen Konflikt keineswegs unter den Tisch gefallen. Philip Zelikow, Mark Kramer, Hannes Adomeit, Kristina Spohr und andere argumentieren, es habe nie schriftliche Zusagen gegeben: Mündliche Aussagen in diese Richtung waren zweideutig, bezogen sich nur auf den östlichen Teil des wiedervereinigten Deutschlands oder wurden ohnehin kurze Zeit später zurückgezogen. Dagegen zeigt insbesondere Joshua R. Itzkowitz Shifrision (1996), dass eine solche Zusage klar kommuniziert wurde und dazu diente, die russische Zustimmung zur deutschen Widervereinigung zu erreichen. Elise Sarotte ist eine wichtige Stimme, die eine Mittelposition einnimmt (und hier). Marc Trachtenberg hat die ganze Debatte 2020 in der Zeitschrift International Security noch mal aufgearbeitet. Seiner Auffassung nach lässt sich das Argument, die mündlichen Zusagen bezogen sich lediglich auf Ostdeutschland, nicht halten. Es gab klare, öffentlich gegebene mündliche Zusagen von Hans-Dietrich Genscher, James Baker und anderen, die NATO nicht zu erweitern. Allerdings gab es keine schriftlichen Zusagen, geschweige denn in vertraglicher Form. Nun können im Völkerrecht nicht nur schriftliche und vertragliche Zusagen bindende Wirkung entfalten, sondern auch mündliche. In einer Reihe von Fällen haben Entscheidungsträger bewusst auf schriftliche Zusagen verzichtet und die Abmachungen dennoch für verbindlich gehalten. Auch wenn es keine schriftliche Zusicherung an Russland gibt, die NATO nicht nach Osten auszudehnen, kann Russland für sich reklamieren, dass mündliche Zusicherungen nicht eingehalten wurden und das Prinzip, die Sicherheit der einen Seite nicht auf Kosten der anderen Seite zu erhöhen, verletzt wurde.

Wie reagiert die Internationale Gemeinschaft?

Die internationalen Reaktionen auf die Anerkennung der „Volksrepubliken“ Donezk und Luhansk dokumentierten bereits eine weitgehende Isolation Russlands, die über die zu erwartende Kritik westlicher Staaten hinausgeht. Aufmerksamkeit erregte ein Statement des türkischen Präsidenten Erdoğan, der das Verhalten Russlands ebenfalls als inakzeptabel qualifizierte und von allen Seite die Einhaltung des Völkerrechts forderte. Wichtig war auch das klare Statements Kenias im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, das eine Verletzung der territorialen Integrität und Souveränität der Ukraine eindeutig feststellt. Die Reaktionen Chinas auf die Anerkennung und den folgenden Angriff auf die Ukraine brachten hingegen nur eine allgemeine Besorgnis über die Situation zum Ausdruck – mithin weder eine Unterstützung für Russland noch Kritik an dessen Vorgehen, obwohl sich beide Staaten erst Anfang des Monats in einem gemeinsamen Statement noch zu den hier eindeutig verletzten Normen bekannt hatten. Die Pflege chinesisch-russischer Beziehungen steht dabei offensichtlich im Vordergrund, allerdings auch in Spannung zu den normativen Grundsätzen chinesischer Außenpolitik. Im Ergebnis ist wenig von einer neuen Achse Moskau-Peking oder gar einem gemeinsamen Weltordnungsentwurf zu sehen, der als kohärente Alternative zu westlichen Vorstellungen dienen könnte. Verständnis für die Anerkennung der Unabhängigkeit durch Russland äußerten der Präsident von Nicaragua Daniel Ortega und Syriens Außenminister Faisal Mekdad sowie auch die Regierungen Kubas, Venezuelas und Serbiens. Die internationalen Reaktionen zeigen, dass Russland sich mit der Entscheidung für eine Anerkennung zunehmend isoliert und internationale Normen offensichtlich weiterhin Kraft entfalten; aber auch, dass die internationale Meinung nicht entlang einer simplen, angenommenen Dichotomie von Demokratien und Autokratien verläuft. Die ersten unmittelbaren Reaktionen auf den Angriff Russlands auf die Ukraine bestätigen und verstärken dieses Muster.

Wie sinnvoll sind Sanktionen?

Internationale Sanktionen haben fast immer mehrere Zwecke. Zunächst können sie erstens unmittelbar darauf abzielen, eine Verhaltensänderung der Regierung des sanktionierten Staates herbeizuführen. Zweitens können sie darüber hinaus isolieren und ihre Handlungsmöglichkeiten einschränken, etwa durch Exportverbote wichtiger Güter und Technologien sowie einer Kappung von Bankgeschäften und Geschäftsbeziehungen. Sanktionen dienen außerdem drittens der Stärkung internationaler Normen. Sie stigmatisieren Fehlverhalten, bestätigen internationale Werte, markieren „rote Linien“ und senden Signale an die Staatengemeinschaft, dass Normen, die gebrochen werden, dennoch Gültigkeit besitzen. Alle drei dieser Zwecke von Sanktionen liegen beim russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine vor.

Zwar sind die bereits verabschiedeten sowie die noch vorgesehenen Sanktionen eine wichtige und schlagkräftige Option, alleine werden sie jedoch nicht die Krise lösen, und schon gar nicht Russland zu einer kurzfristigen Veränderung seiner Politik bewegen. Umso wichtiger ist die Einbettung von Sanktionsmaßnahmen in eine multilateral abgestimmte Diplomatie. Sanktionen sind dann erfolgreich, wenn sie abgestimmt und einheitlich von einer möglichst großen Gruppe von Staaten angedroht oder verhängt werden. Eine gewisse Einigkeit zwischen der EU, den USA und dem Vereinigten Königreich ist derzeit zu beobachten. Die von der EU verkündeten Sanktionen gelten derzeit als die härtesten, wobei deutliche Stärkungen aller Sanktionspakete derzeit in Brüssel, Washington und London vorangetrieben werden. Die EU-Sanktionen vom Mittwochabend treffen hunderte Personen, darunter den russischen Verteidigungsminister, Wladimir Putins Stabschef, führende Propagandist:innen, sowie Banken. Bundeskanzler Olaf Scholz stoppte das Genehmigungsverfahren der Gaspipeline Nordstream 2, was von vielen Verbündeten begrüßt wurde. Die US-Regierung wird ebenso mir weitergehenden Sanktionen nachlegen. Der britische Premierminister Boris Johnson blieb bisher hinter seiner scharfen Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz zurück und verkündete neben dem Einfrieren der Gelder dreier ohnehin seit Jahren von den USA sanktionierten Personen lediglich Maßnahmen gegen fünf kleinere Banken. Dabei gäbe es in London durchaus Hebel, sei es durch die erheblichen russischen Investitionen im Land oder durch die zahlreichen russischen Unternehmen, die an der dortigen Börse zweitgelistet sind.

Auch der normative Aspekt ist in der Russland-Ukraine-Krise besonders wichtig, innen- und außenpolitisch. Die deutschen Regierungsparteien bekennen sich im Koalitionsvertrag ausdrücklich zum Leitbild einer „wertebasierten Außenpolitik“. In diesem Sinne legen die Völkerrechtsbrüche der russischen Regierung harte Gegenmaßnahmen nahe. Hier muss die Bundesregierung auch gegenüber der deutschen Bevölkerung klar kommunizieren, mit welchen Folgen sie rechnet – etwa mit Blick auf die Energiemärkte und Geflüchtete aus der Ukraine – und dass die Solidarität mit der Ukraine von überragender Bedeutung ist. Allerdings konnten koordinierte Sanktionen Russland bislang nicht zur unmittelbaren Rücknahme von Ansprüchen oder politischen Entscheidungen bewegen. Es ist zudem nicht zu erwarten, dass Sanktionen im Falle des nun eingetreten Angriffskriegs kurzfristig eine Verhaltensänderung erzwingen. Handlungsmöglichkeiten einzuschränken ist leichter. Gleichwohl gilt, dass man sich insbesondere gegenüber revisionistischen Großmächten nicht zu viel von Sanktionen versprechen sollte. Aber es gilt auch, dass Sanktionen auch dann, wenn sie keine unmittelbare Verhaltensänderung Russlands bewirken, die Gültigkeit internationaler Normen bekräftigen.

Welche Handlungsoptionen bestehen jenseits von Sanktionen?

Welche Möglichkeiten jenseits von Sanktionen haben also Deutschland und der Westen, um auf Russlands Aggression zu reagieren? Ein militärisches Eingreifen auf Seiten der Ukraine haben alle westlichen Bündnispartner kategorisch ausgeschlossen: die Beistandsverpflichtung nach Artikel 5 des Nordatlantik-Vertrags greift solange nicht, wie die Ukraine nicht Mitglied der NATO ist. Ein militärisches Engagement würde das Risiko einer nuklearen Auseinandersetzung bergen. Auch eine kurzfristige Ernennung der Ukraine zum NATO-Mitglied wäre eine hochriskante Option, die eine Konfrontation der Nuklearmächte USA und Russland nach sich ziehen könnte. Eine weitere Option sind Waffenlieferungen, wie sie etwa die USA, Großbritannien und osteuropäische NATO-Partner bereits durchführen. Deutschland hat auch dies bislang unter Verweis auf die innenpolitische Gesetzeslage, aber auch mit Blick auf seine Vermittlerrolle gegenüber Russland ausgeschlossen. Wenn die Bundesregierung diese Position aufrechterhalten will, muss diese Rolle noch stärker ausgefüllt werden. Das bedeutet einerseits, alle verfügbaren formellen und informellen Kanäle zu nutzen, um auch in der aktuellen Eskalation des Konflikts immer wieder Angebote zur Deeskalation machen zu können. Anders als häufig kolportiert endet Diplomatie nämlich nicht, wenn ein Krieg beginnt, und es kommt darauf an, Wege von einem gewaltsamen zu einem nicht-gewaltsamen Konfliktaustrag aufzuzeigen. Auch aus einem anderen Grund muss ein Übergreifen des Konflikts auf andere Bereiche verhindert werden: Globale Sicherheitsregime wie die zur nukleare Rüstungskontrolle oder zum Verbot chemischer Waffen und die Lösung regionaler Krisen wie der um das iranische Atomprogramm sind zu wichtig, als dass sie im Eifer des Gefechts preisgegeben werden sollten.

Ist das Ende des Friedens das Ende der Friedenspolitik?

Die gegenwärtige Lage ist von Ernüchterung, Enttäuschung und Verbitterung gekennzeichnet. Das gilt für alle Seiten und naturgemäß findet jede Seite, dass nur ihr Groll gerechtfertigt ist. Friedens- und Sicherheitspolitik, die an einer gerechten, stabilen und langfristigen Ordnung interessiert ist, beginnt dort, wo die Interessen, Ängste und Befindlichkeiten der anderen Seite ernst genommen werden. Das bedeutet nicht, dass alle Ansprüche und Behauptungen gerechtfertigt sind. Und es bedeutet schon gar nicht, völkerrechtswidriges Verhalten zu entschuldigen oder zu akzeptieren. Aber es bedeutet, nicht nur die eigene nationale Sicherheit als alleinigen Maßstab zu nehmen, sondern gleichsam systemisch zu denken und die Herstellung von Stabilität, Sicherheit und Frieden als gemeinsame Herausforderung zu begreifen.

Die Gefahr der aktuellen Krise liegt nicht zuletzt darin, dass Diplomatie, Kooperation und Vertrauen generell eine Absage erteilt wird. Die Behauptung, deutsche (und europäische) Vertrauensseligkeit habe den Westen in diese Lage gebracht und es wäre besser gewesen, Russland konsequent als Gegner zu behandeln, ist geschichtsvergessen. Ohne die Politik der gemeinsamen Sicherheit wäre Deutschland heute nicht vereint, wären zahlreiche Staaten Osteuropas heute nicht Demokratien und wäre die nukleare Rüstungsspirale nie angehalten worden. Gemeinsame Sicherheit ist möglich und kooperative Friedens- und Sicherheitspolitik ist kein Fehler, nur weil Wladimir Putin gerade dabei ist, die Architektur europäischer Sicherheit zu zerstören.

Keine Frage, einen schnellen Weg zurück zur gemeinsamen Sicherheit, zur friedens- und sicherheitspolitischen Ordnung, wie wir sie kannten, wird es nicht geben. Zu tief sitzt der Schock und der Vertrauensverlust auf beiden Seiten.  Europa- und globalpolitisch sind wir zurück auf square one, nur unter anderen Bedingungen, weil mit China eine weitere Großmacht mit von der Partie ist. Die große Herausforderung für die Zukunft der internationalen Beziehungen ist der Aufbau neuer Kooperationsstrukturen – in Europa und in der Welt.  Solche Strukturen werden zunächst ganz basalen Charakter haben und auf bloßer Abschreckung basieren, denn auch Abschreckung ist letztlich eine Form der Kooperation. Sie beruht nämlich auf der Bereitschaft, sich abschrecken zu lassen und selber verletzbar zu sein. In einem weiteren Schritt kann man, wie im Kalten Krieg, zur friedlichen Koexistenz übergehen, was bedeuten würde, die Herrschaftsansprüche der Gegenseite anzuerkennen und auf gegenseitige Destabilisierung zu verzichten. Ein weiterer Schritt wäre der Übergang zu einer kooperativen Ordnung gemeinsamer Sicherheit und geteilter Werte. Dass eine Entwicklung auf diesem Wege möglich ist, mag manchem in der gegenwärtigen Krise schwer vorstellbar erscheinen. Aber die Geschichte des Kalten Krieg zeigt, dass sie zumindest nicht ausgeschlossen ist. Und die Aufgabe der Friedens- und Konfliktforschung ist, auf diese Möglichkeit hinzuweisen und sie mitzugestalten. Das Ende des Friedens darf nicht das Ende der Friedenspolitik sein. Im Gegenteil muss er der Beginn eines neuen Nachdenkens über die Zukunft einer europäischen und globalen Friedensordnung sein.

Christopher Daase
Prof. Dr. Christopher Daase ist stellv. geschäftsführendes Vorstandsmitglied der HSFK und Leiter der Programmbereiche „Internationale Sicherheit“ und „Transnationale Politik“. Seine Forschungsschwerpunkte sind Sicherheitspolitik, internationale Institutionen und politische Gewalt. // Prof. Dr Christopher Daase is Deputy Director at PRIF and head of PRIF’s Research Departments “International Security” and “Transnational Politics”. His research focusses on security policy, international institutions and political violence.
Pascal Abb

Pascal Abb

Dr. Pascal Abb ist Koordinator der Forschungsgruppe „Regimewettbewerb“ und wissenschaftlicher Mitarbeiter am PRIF mit Schwerpunkt China. Er betreibt aktuell ein Forschungsprojekt zu den Auswirkungen der Belt-and-Road-Initiative auf Konfliktstaaten. // Dr Pascal Abb is Coordinator of the Research Group “Regime Competition” and Senior Researcher at PRIF with a focus on China. He is currently conducting a research project on the impact of the Belt and Road Initiative on conflict states.
Matthias Dembinski
Dr. Matthias Dembinski ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Programmbereich „Internationale Institutionen“ und Projektleiter an der HSFK. Er forscht zu Fragen von Gerechtigkeit in den internationalen Beziehungen, regionalen Sicherheitsorganisationen und humanitären Interventionen. Sein regionaler Schwerpunkt ist Westeuropa. // Dr Matthias Dembinski is Senior Researcher in the research department “International Institutions” and project manager at PRIF. His research interests are questions of justice in international relations, regional security organisations and humanitarian interventions. His regional focus is Western Europe.
Caroline Fehl

Caroline Fehl

Dr. Caroline Fehl ist Vorstandsmitglied an der HSFK wissenschaftliche Mitarbeiterin im Programmbereich „Internationale Sicherheit“. Ihre Forschung konzentriert sich auf internationale Normen, Institutionen und Organisationen im Bereich der Rüstungskontrolle, Völkerrecht und internationale Strafjustiz. // Dr Caroline Fehl is Member of the Executive Board at PRIF and Senior Research Fellow at the Research Department “International Security”. Her research focuses on international norms, institutions and organizations in the fields of arms control, humanitarian law and international criminal justice. | Twitter: @CarolineFehl
Stefan Kroll

Stefan Kroll

Dr. Stefan Kroll ist Leiter des Querschnittsbereichs Wissenschaftskommunikation und wissenschaftlicher Mitarbeiter im Programmbereich „Internationale Institutionen“. Seine Arbeitsschwerpunkte liegen im Bereich interdisziplinärer Normen- und Institutionenforschung, des Wissenstransfers und der politischen Bildung für Themen der Friedens- und Konfliktforschung. // Dr. Stefan Kroll is Head of Science Communication and a senior researcher at PRIF’s research department “International Institutions”. His work focuses on interdisciplinary research on norms and institutions, knowledge transfer, and political education for peace and conflict research topics. | Twitter: @St_Kroll
Thilo Marauhn

Thilo Marauhn

Prof. Dr. Thilo Marauhn ist Professor für Öffentliches Recht und Völkerrecht an der Justus-Liebig-Universität Gießen. An der HSFK leitet er die Forschungsgruppe „Völkerrecht“. Seine Forschung konzentriert sich auf Humanitäres Völkerrecht, Internationale Strafgerichtsbarkeit, Menschenrechte, Abrüstung und Rüstungskontrolle. // Prof. Dr Thilo Marauhn is Professor of Public Law and International Law, Faculty of Law, Justus Liebig University Giessen. At PRIF he heads the research group on “International Law”. His research focuses on international humanitarian law, international criminal jurisdiction, human rights, disarmament and arms control.
Anton Peez

Anton Peez

Anton Peez ist Doktorand im Programmbereich „Internationale Institutionen“ an der HSFK. Er forscht zu Zwang, Compliance und Normen in den Internationalen Beziehungen. // Anton Peez is researcher and phd candidate in PRIF’s research department “International Institutions”. His research focuses on coercion, compliance and norms in international relations. | Twitter: @antonpeez

Christopher Daase

Prof. Dr. Christopher Daase ist stellv. geschäftsführendes Vorstandsmitglied der HSFK und Leiter der Programmbereiche „Internationale Sicherheit“ und „Transnationale Politik“. Seine Forschungsschwerpunkte sind Sicherheitspolitik, internationale Institutionen und politische Gewalt. // Prof. Dr Christopher Daase is Deputy Director at PRIF and head of PRIF’s Research Departments “International Security” and “Transnational Politics”. His research focusses on security policy, international institutions and political violence.

Weitere Beiträge zum Thema

Mut zur Deeskalation – Warum nukleare Abschreckung Gift ist und nicht Gegengift sein kann Russland blieb bisher ein schneller Erfolg in seinem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg verwehrt. Die Annahme, dass eine mit der NATO verbündete Ukraine militärisch überlegen wäre ...
Der dramatische Dammbruch von Kachovka und seine kurz- und langfristigen Folgen Am Morgen des 6. Juni 2023 wurde gemeldet, dass der Kachovka-Staudamm zerstört wurde, und dass dadurch weite Gebiete flussabwärts, inklusive der Großstadt Cherson, durch eine Flutw...
“Recalibrating European security”?: A reply Hans-Joachim Spanger rightly points to the main challenges to European security emphasizing that new challenges could only be adequately addressed against the backdrop of the globa...