Der Hessische Friedenspreis würdigt seit 1993 besonderes Engagement für Völkerverständigung und Frieden. Seitdem begleitet die HSFK die Auswahl der Preisträgerinnen und Preisträger. Gemeinsam mit dem Kuratoriumsvorsitzenden und ehemaligen hessischen Landtagspräsidenten Karl Starzacher und dem HSFK-Forscher Bruno Schoch blicken wir zurück auf die Entstehungsgeschichte und die Preisträger, an die wir uns heute noch erinnern.
Das Interview ist in verkürzter Form auch in unserem Jubiläumsmagazin erschienen. Diese Fassung gibt es auch hier zu lesen:
„Erfolg allein ist nicht das Kriterium“
Was ist denn eigentlich der Hessische Friedenspreis?
Bruno Schoch: Das Interessante ist, dass er inzwischen immer Hessischer Friedenspreis genannt wird. Er heißt aber eigentlich Friedenspreis der Albert Osswald-Stiftung und wird gar nicht vom Land Hessen verliehen. Nach dem, was ich über den früheren Hessischen Ministerpräsidenten Albert Osswald gelesen habe, wäre ihm diese Verkürzung aber wahrscheinlich keine besondere Last. Denn er war so etwas wie ein hessischer Patriot. In den Anfangsjahren hat man diesen Friedenspreis oft mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels verwechselt. Oder, bis in die FAZ hinein, den Friedenspreis und die HSFK gleichgesetzt. Das war für uns als HSFK natürlich nicht besonders rufschädigend. Im Gegenteil.
Karl Starzacher: Dass ich mit dem Hessischen Friedenspreis der Albert Osswald-Stiftung in Berührung kam, lag daran, dass ich Landtagspräsident war, als 1994 der erste Friedenspreis verliehen wurde. Albert Osswald als Stifter und ich haben damals vereinbart, dass der Preis im Hessischen Landtag vergeben wird. Der Landtag, die Staatskanzlei und der jeweilige Ministerpräsident haben dieses Projekt immer sehr positiv begleitet und unterstützt. Insofern ist es inzwischen auch Der Hessische Friedenspreis.
Sein Zustandekommen hat sicherlich mit Osswalds Lebenslauf zu tun: Er war von 1939 bis 1945 Wehrmachtssoldat, hat also am Krieg teilgenommen und war danach in Kriegsgefangenschaft. Ich bin sicher, dass auf Grund dieser Erfahrung das Thema Frieden für ihn immer eine große Bedeutung hatte.
Dazu kommt, dass Albert Osswald und Ernst-Otto Czempiel, Mitbegründer und langjähriger Vorstandsvorsitzender der HSFK, auch persönlich guten Kontakt hatten. Ich kann mir durchaus auch vorstellen, dass Czempiel die Idee hatte, dass die Albert Osswald-Stiftung ja einmal im Jahr einen Friedenspreis vergeben könnte.
Bruno Schoch: Albert Osswald ist ja 1976 unter etwas unglücklichen Umständen nach dem Helaba-Skandal zurückgetreten. Da fragt man sich natürlich: Warum hat er seine zuvor gegründete Stiftung im Jahr 1993 auf Frieden umgestellt? Schließlich haben sich die Sowjetunion und der Warschauer Pakt aufgelöst, US-amerikanische Politologen haben sogar das Ende der Geschichte proklamiert. Gleichzeitig gab es aber natürlich die Konflikte auf dem Balkan seit 1991, Kriegsbilder mitten in Europa. Da haben einige Leute gesagt: Jetzt brauchen wir das Engagement für den Frieden eigentlich erst recht. Insofern kann man das Jahr 1993 auch als Ausdruck von besonderer Weitsichtigkeit interpretieren.
Wie läuft denn der Prozess rund um die Vergabe des Hessischen Friedenspreises ab?
Karl Starzacher: Nach der Stiftungssatzung wird der Preis von der Stiftung vergeben. Es hat sich aber etabliert, dass das Kuratorium die Entscheidung trifft. Dort sind die bedeutenden deutschen Friedensforschungsinstitute vertreten, die sich dann unter der Federführung der HSFK miteinander abstimmen. In allen Fällen war es so, dass das Kuratorium sich doch einvernehmlich auf die Vorschläge der Friedensforscherinnen und -forscher verständigt hat. Aber es gab auch kritische Diskussionen.
Bruno Schoch: Osswald muss ein unglaubliches Vertrauen in die Friedensforschung gehabt haben. Dass die Institute die Vorschläge machen sollten, war überhaupt nicht selbstverständlich. Denn die Friedensforschung war ja am Anfang politisch außerordentlich umstritten. Nicht bei Osswald, aber es gibt Artikel aus dem Bayernkurier, nach denen wir viel schlimmer sind als irgendwelche Sowjet-Hetzer.
Welche der vergangenen Preisträgerinnen oder Preisträger haben Sie denn nachhaltig beeindruckt?
Karl Starzacher: Alle. Jede und jeder für sich. Es ist natürlich ein Unterschied, ob sie dem Dalai Lama begegnen oder Ismail Khatib. Das ist ein ehemaliger palästinensischer Widerstandskämpfer, der die Organe seines elfjährigen Sohnes Ahmed zur Organspende an israelische Kinder freigegeben hat, nachdem sein Kind von israelischen Soldaten tödlich verletzt wurde. Aber jede dieser Begegnungen war unglaublich eindrucksvoll.
Bruno Schoch: Ich teile ihren großen Respekt vor allen Preisträgerinnen und Preisträgern. Aber ich war damals beim Dalai Lama sehr kritisch, muss ich sagen. Er hat viele Preise erhalten – unter anderem den Nobelpreis, der, glaube ich, fast mit einer Million Dollar dotiert ist. Und dann bekommt er nachher noch den Hessischen Friedenspreis. Ich finde, darüber konnte man streiten, obwohl das Gespräch mit dem Dalai Lama in Wiesbaden außerordentlich interessant war.
Mich hat am meisten Lakhdar Brahimi beeindruckt. Und zwar, weil er in unserem Vorgespräch im Detail berichtet hat, wie er den Apartheid-Konflikt in Südafrika angepackt hat. Aber das heißt nicht, dass ich das beeindruckende Engagement der anderen mindern möchte. Das Problem ist, dass es weder in der Friedensforschung noch in der Philosophie eine praktisch definierte Vorstellung von Frieden gibt. Frieden ist ein weites Feld, deswegen gibt es auch ungefähr 60 Friedenspreise. Als Forscher ist man daher manchmal etwas pingelig und fragt: Ist moralisches Engagement für den Frieden schon gleichzusetzen mit bedeutenden diplomatischen Erfolgen?
Karl Starzacher: Ich bin kein Friedensforscher. Für mich ist Frieden Frieden. Natürlich hat ein Lakhdar Brahimi als UN-Diplomat in seiner Vermittlungsfunktion ganz andere Gestaltungsmöglichkeiten als Ismail Khatib. Die Unterschiede sehe ich durchaus. Aber das persönliche Engagement für Frieden ist für mich das Bestimmende. Und jeder und jede, die sich für Frieden engagieren und einsetzen, selbst wenn sie am Ende nicht erfolgreich sind, sind eigentlich auszeichnungswürdig. Da möchte ich keinen Unterschied machen.
Letztes Jahr wurde der äthiopische Ministerpräsident Abiy Ahmed Ali für seinen Einsatz für einen historischen Friedensschluss mit dem Nachbarland Eritrea ausgezeichnet. Kurze Zeit später erhielt er auch den Friedensnobelpreis. Abiy war erst kurze Zeit im Amt, als er den Preis erhielt. Ist das nicht etwas verfrüht?
Karl Starzacher: Nein, das denke ich nicht. Er hat zu Beginn seiner Amtszeit ganz wesentliche Weichenstellungen in Äthiopien vorgenommen. Er wird – ich weiß das aus Berlin – von der Bundesregierung sehr positiv wahrgenommen. Wir wollen mit dieser Auszeichnung würdigen, was er im Friedensschluss mit Eritrea bewirkt hat. Obwohl wir wissen, dass in Äthiopien noch nicht alle Probleme gelöst sind. Und wir wollen ihn damit ermutigen und motivieren, diesen Weg weiter zu gehen. Ich glaube, das rechtfertigt den Preis zu 100 Prozent.
Bruno Schoch: Ich sehe das auch so. Wir müssen uns ja immer fragen: Was sind die Bemühungen? Was kann man dabei unterstützen? Und insofern ist die Auszeichnung absolut richtig. Manche der Preisträgerinnen und Preisträger sind rückblickend betrachtet gescheitert. Aber das ist kein Grund, das Engagement nicht zu unterstützen und auszuzeichnen. Insofern kann das Kriterium nicht nur der schlussendliche Erfolg sein.
*Shownotes*
- Informationen zum Hessischen Friedenspreis, Übersicht über die bisherigen 25 Preisträger*Innen
- Der Hessische Landtag zur diesjährigen Verleihung
Dieses Interview ist auch Teil unseres Jubiläumsmagazins zum 50-jährigen Bestehen der HSFK. Das Magazin steht hier zum kostenlosen Download bereit (pdf, 5,42 MB).